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Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe
Autoren: Felicitas Hoppe
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ständig selbst thematisiert und dabei in Leben wie Werk permanent versucht, aus der Not ihrer Ignoranz eine literarische Tugend zu machen.
    Hoppes (durch zahlreiche Schulzeugnisse belegte) äußerst mangelhafte Kenntnisse in Geographie und Landeskunde, die sie später durch »verzweifeltes Kartenstudium« und eine stattliche Sammlung verschiedener Weltalmanache aufzubessern versuchte, sind nicht Legende, sondern Fakt, und der in zahlreichen Interviews beharrlich immer wieder auftauchende Hinweis auf ihr literarisches Verfahren »ehrlicher Erfindung« ist weniger kokettes Versteckspiel als schlecht getarnte Verlegenheit. Ständig wirft sie Köder aus, um sie kurz darauf wieder einzuholen, bevor der Fisch seinen Haken findet. Ein Verfahren, das ihren Lesern bis heute abwechselnd Freude und Ärger bereitet: »Man war drinnen und bleibt doch draußen«, bemerkt schon früh ein verprellter Kollege.
    Man gäbe ihm recht, würde man nicht auf den zweiten Blick sofort erkennen, dass Hoppes Werk die Unterscheidung von drinnen und draußen weder kennt noch sucht, dass der schroffe Ausschluss nicht kalkuliert, weder Masche noch Trick, sondern ehrliche Selbstbeschreibung ist. Hoppes vermeintliche Raffinesse ist alles andere als raffiniert, sondern unfreiwillig bekenntnishaft. Wie ihr Werk deutlich, gelegentlich fast aufdringlich vorführt, war die Autorin weder an Orten noch an Politik interessiert, sondern einzig auf Stimulanz aus: »Ich habe von Verhältnissen keine Ahnung«, erklärt sie in einem oft zitierten Interview, in dem sie unzweifelhaft deutlich macht, dass es nicht Orte, sondern bestenfalls deren Geschichten sind, die sie anziehen, »weshalb ich mich bis heute schuldig fühle, sobald irgendwer von mir wissen will, wo was liegt und was wie wo wirklich ist«.
    Und doch ist es dieselbe Autorin, die einen der mit Abstand schönsten Texte über Hameln und das die Stadt umgebende Weserbergland geschrieben hat. In ihrer Erzählung
Ich stehe ratlos vor dem Hamelner Hochzeitshaus
besingt sie eine Landschaft, die sie womöglich weder gekannt noch jemals persönlich bewandert hat und in deren Beschreibung sie dennoch eine Kindheit und eine Familie heraufbeschwört, von der ihre Bewohner, wie sie selbst, nur träumen:
    »Der Raps steht leuchtend hoch in unserer Gegend, ein Schock in Gelb, die Hügel, schön und eigensinnig, sind viel zu sanft, um eine bedrohliche Landschaft zu bilden. Keine Berge, kein Meer. Kein Eis, keine Wüste. Weder Schakale noch Araber. Kein schroffes Gericht, kein Urteil. Ich liebe, ich verehre die mittlere Landschaft, den Kompromiss, die Versöhnung, die leise Verabredung, sich unbemerkt ganz nebenbei zu treffen (für den Fall, dass es sich wie von selbst ergibt), auf ein Getränk, das nicht auf Eis liegen muss, um über die Zunge zu gehen. Jeder weiß, dass es diese Landschaft nicht gibt, aber wir alle träumen davon, meine vier Geschwister und ich, deren Namen an den Glocken des Hochzeitshauses hängen, von denen mein kanadischer Zwilling nichts weiß, weil er von Musik keine Ahnung hat, weshalb ich ihn niemals heiraten werde.«
    Hochzeiten durchziehen das Werk Hoppes (die selbst angeblich mindestens dreimal verheiratet war) ebenso wie der Rattenfänger. In ihrem Debüt (
Picknick der Friseure
, 1996 ) beschreibt sie in der Erzählung
Die Hochzeit
eine ins Groteske verzerrte Hochzeitsfeier, in der der Sohn des die Feier ausrichtenden Gastwirts sich haltlos in die Braut verliebt und im Affekt den Hochzeitstrompeter erschlägt, in
Paradiese, Übersee
( 2003 ) ein Zimmermädchen, das von den Hochzeitsreisenden daran gehindert wird, »ordnungsgemäß« seiner Arbeit nachzugehen, »weil sie (die Hochzeitsreisenden/fh) befürchten, schon durch die geringste Öffnung nach draußen einander wieder abhandenzukommen«. Und in
Verbrecher und Versager
( 2004 ) ist andauernd von Hochzeitsflüchtlingen die Rede, deren Verlobte hinter deutschen Hecken sitzen und darauf warten, dass ihre Liebhaber, allesamt unterwegs auf den Weltmeeren, eines Tages doch noch zurückkommen.
    In ihrer Erzählung
Fakire und Flötisten
( 2001 ) schließlich, in der Hoppe die Reise einer unbekannten Protagonistin nach Indien schildert (Hoppe selbst unternahm in den Jahren zwischen 2000 und 2003 zwei große Indienreisen), wird ein am Flughafen unerwartet gegen den eigenen eingetauschter Koffer zum Objekt der Begierde, wenn Hoppe im Text ausführt: »Ich, sage ich laut und vernehmlich, bin der alleinige Finder, für eine Nacht gehört mir
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