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Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe
Autoren: Felicitas Hoppe
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bettelt sie sich Stück für Stück zusammen, erst die Handschuhe (secondhand), dann den Schläger (Leihgabe gegen Taschengeld), nach dem ersten Sturz (eine Narbe unter dem rechten Auge) bastelt ihr Vater, der bis dahin von ihren Umtrieben nichts gewusst haben will, »zähneknirschend das erste Gitter, damit sie nicht endet wie Sawchuk« (gemeint ist vermutlich Terry Sawchuk/fh). Der Rest interessierte ihn wenig: »Während er Patente für
Bell Telephone Canada
prüfte, erfand ich den Leuchtpuck. Denn mein Vater bestand darauf, alles selbst zu erfinden: ›Nimm nie in die Hand, was du nicht selbst erfunden hast.‹«
    Ein Text mit dem Titel
Meine Sonntagserfindungen
legt ehrgeizig Zeugnis davon ab, dass Hoppe die Anweisungen ihres Vaters todernst nahm. Sie notiert in alphabetischer Reihenfolge alles, was ihr persönlich unentbehrlich scheint, und führt damit gleichzeitig Buch über private Beschwerden und Sehnsüchte. Unter A (wie Asthma) ein Gerät für »notfallbedingte Frischluftzufuhr«, ohne das sie in späteren Jahren kein Flugzeug besteigt (die Angst vor dem Fliegen ist ein Erbe ihres Vaters, der, nach einem Flugzeugabsturz in den fünfziger Jahren, für den Rest seines Lebens ausschließlich per Schiff reiste), unter B (wie Bett) die »kanadische Wärmflasche«, unter C (wie Canada) eine »Landkarte für Erstbesucher« mit dem Vermerk: »Für den Fall, dass sie doch noch kommen.« Unter D einen Dirigentenstab, der bei Lichtausfall im Orchestergraben im Dunkeln leuchtet. Und unter H Hoppes legendäre Hockeyhandschuhe, die, verfeinert und weiterentwickelt, in späteren Jahren eine Schweizer Damenmannschaft zum Erfolg führen werden. Unerreichbar in der Reihe Hoppe’scher Sonntagserfindungen bleibt bis heute der legendäre Leuchtpuck, dessen offizielle Erfindung Eberhard von der Mark wegen Hoppes unterlassener Anmeldung des Patents fünfzehn Jahre später ( 1983 ) für sich in Anspruch nehmen darf. (Eine einfache Hartgummischeibe, die, mit Leuchtdioden versehen, beim Schlag mehrere Sekunden lang ein blinkendes rotes Lichtsignal abgibt und in Europa unter der Nummer  0273944 patentiert ist.)
    Hoppe selbst hat sich, soweit bekannt, niemals öffentlich zu diesem Fall von Patentdiebstahl geäußert, was darauf schließen lässt, dass sie sich mit ihrem Vater über Angelegenheiten solcher Art nicht besprach. Einzig ein später Brief (abgelegt unter der Rubrik
Briefe an vier deutsche Geschwister
) beweist, dass ihr die Angelegenheit nachging: »Ich komme einfach nicht drüber weg, dass man mich, wenn nicht um eine Erfindung, so doch um eine Idee gebracht hat, was weit schlimmer ist. Es missfällt mir, den Leuchtpuck in Umlauf zu sehen, ohne dass jemand weiß, wer tatsächlich Licht in dieses unmögliche Spiel gebracht hat. Lange Nächte auf Eis, ein dunkles Hin und Her von Bewegungen und Finten. Zeit meines Lebens habe ich davon geträumt, Goaly zu werden, König im Tor: Abwehren, Halten, Gewinnen. Stattdessen bin ich ein mittelmäßiger Stürmer geblieben, liege nachts im Bett und träume vom Hamelner Marktplatz, auf dem wir noch eine Zukunft hatten. Oder immerhin eine Gegenwart. Vergangenheiten ertrage ich schlecht.«
    So unklar bleibt, von welchen Vergangenheiten Hoppe hier spricht, so deutlich ihr Missmut über das, was sie in ihrem Werk immer wieder als »die lästige Verwaltung der Zeiten« bezeichnet. Dass es hier um mehr als ein Lernproblem geht, beweist wiederum eine Stelle aus
Fünf zur See
: »Die Erde ist rund, die Zeit wird nicht lang. Also könnten wir endlos so weitermachen, weiterreisen, weiterleben und weiterschlafen. Trotzdem stehen wir auf, nicht weil die Sonne es will, sondern weil die Zeit es verlangt. Alle sprechen davon, dass die Zeit es verlangt, mein Vater, der Schulbusfahrer, der Lehrer. Du liebe Zeit. Allein die Tatsache, dass meine vier Geschwister noch schlafen, während ich sie erfinde, dass sie träumen, während ich ihnen Briefe schreibe, dass sie aufwachen, während ich mich ins Bett lege, dass ich im Bett liegen muss, wenn sie aufstehen, sagt mir, dass etwas nicht stimmt mit der lieben Zeit, dass es eine geographische Ordnung gibt, mit der ich mich niemals anfreunden werde. Ich bin und bleibe ein Gegner der Zeitverschiebung.« Dazu in den
Sonntagserfindungen
unter U der Hinweis auf ein »Gerät zum Zweck zeitgleicher Verständigung: Uhr, die auch bei Tageslicht leuchtet«, und unter Z wie Zeit der Entwurf eines »globalen Kalenders«, denn »wohin immer man die Inseln auf der
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