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Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen

Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen

Titel: Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen
Autoren: Oliver Tappe
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er hatte
die Nacht im Bus verbracht. Als wir auf die Autobahn rollten, entschuldigte ich
mich in seinem Namen bei den Gästen und fügte hinzu, dass so etwas
normalerweise nicht vorkommt. Aber was ist schon normal im Wilden Westen? Zu
meiner Beruhigung hatten die Gäste unterwegs auch andere Fahrer gesehen.
Chicken-George war ein schwarzes Schaf und konnte definitiv nicht als
Repräsentant seiner Zunft angesehen werden. Ich hoffte, den Leuten war dies
bewusst. Wir sausten den Freeway entlang in Richtung Süden. Auf dem Weg nach
Los Angeles besuchten wir den berühmten Küstenort Santa Barbara. Ein letzter
Höhepunkt, bevor die Reise in der Stadt der Engel enden sollte. Halt! Ich muss
mich verbessern. Wir sollten später noch einen weiteren Höhepunkt erleben. Im
wahrsten Sinne des Wortes.
     
    Santa Barbara
ist eine ganz besondere Stadt mit einem unverwechselbaren Charme. In
Werbeprospekten wird die Gegend gern als die Amerikanische Riviera betitelt.
Das Klima ist mediterran und besonders das Ortszentrum mutet sehr europäisch
an. Nach einem großen Erdbeben, das 1925 die Region erschütterte, wurde das
Gerichtsgebäude der Stadt komplett erneuert. Dies geschah auf Anregung des
Architekten im spanisch-maurischen Stil, um an die Geschichte Südkaliforniens
zu erinnern, in der die Spanier eine wichtige Rolle spielten. Der Neubau
startete einen Trend, und heute ist fast die gesamte Innenstadt Santa Barbaras
dem spanischen Baustil nachempfunden. Viele europäische Auswanderer haben
diesen Ort im Laufe der Jahrzehnte als Wahlheimat für sich entdeckt. Deren
Einfluss spiegelt sich unter anderem auch in der Gastronomie der Umgebung
wider. Ähnlich wie Carmel, ist auch Santa Barbara ein Mekka für Feinschmecker.
Fastfood-Restaurants sucht man an der Flaniermeile vergebens. Die
Einwohnerschaft an diesem Teil der kalifornischen Küste ist sehr gemischt. Als
Universitätsstadt beherbergt Santa Barbara viel junges Volk. Gleichzeitig aber
fühlen sich aufgrund des milden Klimas auch viele wohlhabende Rentner von der
Gegend angezogen. Daneben existiert eine ausgeprägte Künstlerszene, die dem Ort
zusätzlich Farbe verleiht. In unmittelbarer Nähe befinden sich auch herrliche
Weinberge. Das Wine Country beginnt gleich hinter den Toren der Stadt,
und seit dem Erscheinen des Kinohits „Sideways“ lockt die Region Weinliebhaber
aus der ganzen Welt an. Santa Barbara selbst liegt eingenistet zwischen Pazifik
und dem Santa Inez Gebirge, das für eine spektakuläre Hintergrundkulisse sorgt.
Die Lebensqualität in diesem Teil der Erde ist um einiges höher als im nur
neunzig Autominuten entfernten Los Angeles. Weitab von den Staus, der
Umweltverschmutzung und der Kriminalität der Riesenmetropole haben auch schon
einige Hollywoodstars in Santa Barbara ein neues Zuhause gefunden. Vorreiter
dafür war Michael Jackson, der seine berühmte Neverland Ranch unweit der Stadt, in Los Olivos, auf der Ostseite der Santa Inez Berge gebaut
hat.
     
    Die
Mittagspause in Santa Barbara nutze ich in der Regel, um bei meinem
Lieblings-Inder auf der State Street zu speisen. An jenem Sommertag
verweilte ich jedoch in der Nähe des Busses, der am Gerichtsgebäude geparkt
stand, da der Aufenthalt an diesem Tag sehr kurz ausfiel. Es galt, die
erhebliche Verspätung bei der Abfahrt in San Louis Obispo wieder aufzuholen.
Chicken-George hatte es sich in seinem Gefährt auf der Reiseleiterbank mit
einer neuen Fuhre Hühnerflügel bequem gemacht und ich genoss die Sonne, die an
diesem Tag nur ab und zu durch die Wolken lugen wollte. Bereits auf dem ersten
Teilstück unserer Fahrt war mir bei George eine gewisse Unkonzentriertheit
aufgefallen. Er wirkte müde und abwesend. Ich fragte mich auch immer noch, wo
er wohl die Nacht verbracht haben mochte. Seinem Geruch nach zu urteilen,
konnte es jedenfalls kein Zimmer mit Dusche gewesen sein. Prinzipiell bin ich
nur ungern mit Busfahrern unterwegs, die ich nicht kenne. Immerhin trägt so ein
Mann am Steuer die Verantwortung für eine große Gruppe. Deshalb ist es wichtig,
Vertrauen aufbauen zu können und zu wissen, wie belastbar der Fahrer ist.
Anders als in Europa, ist uns auf Langstrecken nämlich nur ein Fahrer vergönnt,
und der muss sehr hart arbeiten. Chicken-George konnte ich nur schwer
einschätzen. Aus diesem Grund war ich nicht ganz ohne Sorge, als wir Santa
Barbara am frühen Nachmittag wieder verließen.
    Es ist typisch
für die Gäste, nach dem Mittagessen ein kleines Schläfchen zu halten. Schnarcht
erst
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