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Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen

Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen

Titel: Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen
Autoren: Oliver Tappe
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zu wecken. Wie ich
unterwegs bemerkte, stand der Bus nicht auf seinem gewohnten Platz hinterm
Haus. Unser Fahrer war offenbar ausgeflogen. Ich bat den Hoteldirektor, das
Zimmer von George mit einem Nachschlüssel zu öffnen. Hatte er die Nacht
vielleicht gar nicht im Hotel verbracht und sich schon am Vorabend aus dem
Staub gemacht? Wie sich herausstellte, war das Bett noch unbenutzt. Sein Gepäck
konnten wir auch nirgends sehen. Ich hatte ein Problem!
    Da meine
Agentur in Los Angeles zu so früher Stunde noch nicht erreichbar war, rief ich
das Busunternehmen direkt an. Wie ich befürchtete, konnte mir von denen auch
niemand sagen, wo der Mann steckte.
    „Was soll ich
denn jetzt bitte tun?“, wollte ich von dem zuständigen Einsatzleiter wissen.
    „Abwarten und
Tee trinken“, war die knappe Antwort. „George wird bestimmt jeden Moment
auftauchen. Er ist sicher nur zum Tanken gefahren.“
    „Er hat ja
nicht einmal die Nacht im Hotel verbracht. Vielleicht ist ihm auch etwas
zugestoßen.“
    „Wenn er bis
acht Uhr nicht da ist, ruf einfach noch mal an.“
    Schöne
Bescherung! Zu allem Übel begann es auch noch zu regnen. Und das mitten im Sommer.
Da regnet es eigentlich nie. Jetzt musste ich zweiundvierzig Koffer in die
Hotelhalle hieven, damit nicht alles klatschnass wurde. Zu meinem Glück bekam
ich Hilfe von einigen Passagieren, die etwas verfrüht zur Abfahrt erschienen
waren. Pünktlich um acht Uhr rief ich das Busunternehmen erneut an.
    „Mein Fahrer
ist immer noch nicht da.“
    „Hmm“
    „Ich habe hier
vierzig Gäste, die darauf warten, nach Los Angeles gebracht zu werden. Mit
einem „Hmm“ ist mir jetzt nicht geholfen. Wie ist Plan B in solchen Situationen?“
    „Es gibt
keinen Plan B. Wir müssen einfach warten.“
    Verärgert
legte ich den Hörer auf und wählte die Privatnummer meines Agenturleiters.
Nachdem ich die Situation geschildert hatte, bat er mich, die Gäste zu
vertrösten und die Abfahrtszeit offiziell um eine Stunde zu verschieben.
    „Und dann?“,
fragte ich.
    „Dann sehen
wir weiter. Ich spreche mit der Transportfirma. Die muss einen Ersatzbus
stellen.“
    „Bis der hier
ist, sind wir alt und grau.“
    „Nun reg dich
mal nicht auf. Wir kriegen das schon irgendwie hin.“
    Das ist leicht
gesagt, sitzt man bei einem Latte Macchiato und einem ofenfrischen Croissant im
trauten Heim. Mir saßen schließlich vierzig Gäste im Nacken, die sich mit so
einer Antwort ganz sicher nicht zufrieden geben würden. Ich machte mich auf, die
Botschaft zu übermitteln. Vorsichtshalber sagte ich den Leuten, dass wir erst
gegen neun Uhr dreißig abfahren würden.
    „Warum setzten
Sie sich nicht in den Garten und genießen die Ruhe?“ schlug ich vor.
    „Weil es
regnet“, bemerkte ein Schlaumeier trocken.
    „Oh, dann
vielleicht doch nicht.“
    Da es in der
Lobby nur etwa zwanzig Sitzgelegenheiten gab, wartete die Hälfte der Leute im
Stehen. Dummerweise war die Gruppe bereits ausgecheckt und die Putzkolonne auf
den Hotelgängen unterwegs. Demnach war ein Zurück in die Zimmer auch keine
Option mehr. Dumm gelaufen. Doch wir hatten Glück im Unglück. Wenige Minuten
nach meiner Durchsage lichtete sich der Himmel und die Gäste machten sich auf
ins Freie. Um viertel nach neun rief ich den Agenturchef abermals an.
    „Gibt’s was
Neues?“, wollte ich wissen.
    „Leider nein.
Wir versuchen gerade einen Bus aus Santa Barbara zu organisieren. Aber der
könnte frühestens in zwei Stunden bei Euch sein.“
    „Und was soll
ich den Leuten jetzt sagen?“
    „Lass dir was
Nettes einfallen. Du bist schließlich der Reiseleiter.“
    Da hatte der
Boss natürlich Recht, aber das sah ich in diesem Moment ganz anders. Ich holte
tief Luft und setzte zu einer verbalen Attacke an.
    „Hallo Herr
Tappe“, unterbrach mich die Stimme einer meiner Gäste. „Der Bus ist gerade
vorgefahren.“
    Ich hielt den
Atem an.
    „Ich hab’s
schon gehört“, sagte der Chef am anderen Ende der Leitung. „Dann ist ja alles
in Butter.“
    Ich legte den
Hörer auf und lief zum Haupteingang des Hotels. Tatsächlich! Da stand
Chicken-George breitbeinig mit fleckigem Hemd und wischte sich den Schweiß von
der Stirn.
    „Sorry“, sagte
er stammelnd, „ich bin im Verkehr stecken geblieben“.
    Wer’s glaubt
wird selig.
    „Mach lieber
deine Hose zu und hilf mir, die Koffer einzuladen. Wir sind bereits neunzig
Minuten zu spät“, sagte ich ärgerlich.
    George sah
inzwischen nicht nur ungepflegt aus, er roch auch so. Ich vermutete,
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