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Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen

Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen

Titel: Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen
Autoren: Oliver Tappe
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Brust. Er schielt.
    „Meine Tasche
passt nicht in den Bus. Die Ablagefächer sind viel zu klein.“
    Ich sehe ihn
fragend an.
    „Vielleicht
stellen Sie ihren Koffer einfach unten in den Gepäckraum“, schlage ich mutig
vor.
    „Aber das sind
alles wichtige Sachen, an die meine Frau und ich ständig ran müssen.“
    Der Mann tippt
schon wieder mit dem Finger auf meine Brust.
    „Außerdem
haben wir unsere Wertsachen da drin und die geben wir nicht her. Unter gar
keinen Umständen.“
    „Dann, fürchte
ich, müssen Sie ihren Koffer wohl auf den Schoss nehmen.“
    Eine bessere
Antwort will mir in diesem Moment nicht einfallen.
    „Sie hören wohl
nicht recht. Wir haben schließlich eine Menge Geld für diese Reise bezahlt. Da
kann man ja wohl ausreichend Platz erwarten.“
    Ich hebe die
Schultern und bete still. Der Herrgott möge mir Geduld schenken.
    Irgendwie habe
ich den Tag überlebt. Und den Folgenden auch. Am Ende sogar die ganze Reise.
Vor allem aber habe ich eines gelernt: Gute Vorbereitung und klare Ansagen sind
die halbe Miete. Wenn ich heute eine Reisegruppe in Empfang nehme, bin ich der
Rudelführer der ersten Stunde. Da gibt’s kein Wenn und auch kein Aber. Zwar
habe ich einige Jahre gebraucht, mich selbst als Leittier zu akzeptieren, aber
mit dieser Einstellung fühlen sich auch die Gäste wohler und sind sogar
dankbar, wenn ich ihnen die Richtung weise.
     
    Reiseleiter
ist kein Beruf, sondern eine Berufung . Das sagte einmal die
Personalchefin eines großen Reisekonzerns zu mir, als ich mich in jungen Jahren
bei ihrem Unternehmen um eine Stelle bewarb.
    „Toller
Spruch“ dachte ich damals. „Klingt gut. Fast heilig. Man möchte meinen, ich
hätte mich als Pfarrer beworben.“
    Die Dame
erklärte mir, man könne den Beruf nicht aus Büchern oder in einer Schule
lernen. Im Nachhinein gebe ich ihr mit dieser Aussage Recht. Als Reiseleiter
zählt nur eines: Erfahrung. Davon kann man nie genug haben, wie ich heute weiß.
Immer, wenn ich wieder einmal glaube, schon alles nur Erdenkliche mit meinen
Gästen erlebt zu haben, passiert etwas Unerwartetes und ich gerate ins
Schwanken. Doch genau das ist es, was mich an meinem Beruf so fasziniert. Er
ist unberechenbar und jeder Tag birgt neue Herausforderungen, denen ich mich
spontan stellen muss. Mal abgesehen davon, ist mein Arbeitsplatz der Wilde
Westen Amerikas, mit all seinen Naturschönheiten und einzigartigen Städten.
Gestern in Hollywood, heute in Las Vegas und morgen schon am Grand Canyon. Was
für viele ein Traum bleibt, ist für mich wie der tägliche Gang ins Büro. Nur
habe ich dabei bis zu fünfzig Leute im Schlepptau, die Tag und Nacht versorgt
werden wollen. Es gibt Momente, da weiß ich nicht mehr ob ich Kindergärtner, Altenpfleger
oder Eheberater bin. Mal schlüpfe ich in die Rolle des Beichtvaters, mal bin
ich das Fräulein von der Auskunft. Ich fungiere als Trauzeuge, als
Englischlehrer und manchmal auch nur als Zeitansage. Ich habe mehr schlaflose
Nächte, als eine Krankenschwester im Schichtdienst und muss oft wochenlang ohne
freien Tag arbeiten. Trotzdem zieht es mich Jahr für Jahr wieder hinaus in die
Weite der Wüsten und der Canyonlandschaften, die schöner und grandioser nicht
sein könnten.
    Als ich 1991
am internationalen Flughafen von Los Angeles landete, hatte ich keine Ahnung,
dass die Riesenmetropole schon bald meine neue Heimat werden sollte. Eigentlich
wollte ich in den USA nur Freunde besuchen. Ich war nach einigen Jahren
Auslandsaufenthalten im Mittelmeerraum, die ich als Reiseleiter in der
Hotelbetreuung verbracht hatte, nach Deutschland zurückgekehrt. An meinem
zweiten Arbeitstag bei einem Reiseveranstalter in Frankfurt am Main
marschierten die Iraker in Kuwait ein. Aktion Desert Storm bescherte der
europäischen Tourismusbranche in jenem Jahr ein nie erlebtes Tief. Ich wurde
vor die Wahl gestellt: Kündigung oder sechs Wochen Zwangsurlaub. Ich entschied
mich für letztere Variante, packte meinen Koffer und flog nach Kalifornien.
Eigentlich wollte ich dort ausgiebig Urlaub bei alten Freunden machen. Doch
kaum war ich in Los Angeles gelandet, überredeten mich meine Freunde, auf eine
Stellenanzeige einer Reiseagentur zu antworten, die genau auf mein Profil
passte. Ehe ich mich versah, wurde ich zu einem Vorstellungsgespräch geladen.
Nach einer knappen Stunde bot man mir die Position des Tour Series Coordinator an, dem Organisator von Busrundreisen.
    „Cool!“,
dachte ich. Diese Chance musst du nutzen.“
    Ich
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