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Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen

Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen

Titel: Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen
Autoren: Oliver Tappe
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sagte
spontan zu. Etwas zu spontan, wie sich später herausstellen sollte, denn ich
hatte ohne genauer hinzusehen, einen amerikanischen Arbeitsvertrag
unterschrieben und damit meine Seele unwiderruflich verkauft. Meine
Unterschrift verpflichtete mich, einem internationalen Touristikunternehmen für
die Dauer von achtzehn Monaten als Bürosklave zu dienen. Zumindest hatte ich
den Eindruck, der Sklaverei zum Opfer gefallen zu sein, bis mich die
einheimischen Kollegen eines Besseren belehrten. Fünf Tage Jahresurlaub, die
man frühestens nach einem Jahr Betriebszugehörigkeit nehmen darf, waren und
sind auch heute noch in den USA keine Ausnahme. Wie in vielen amerikanischen
Unternehmen üblich, stellte auch mein Arbeitgeber keine Krankenversicherung.
Mein Hungerlohn deckte gerade einmal die Miete für ein kleines Zimmer und die
Kosten für eine zehn Jahre alte Rostlaube. Die ersten zwölf Monate ernährte ich
mich fast ausschließlich von mexikanischem Fastfood, denn das war preislich
einfach nicht zu unterbieten. Trotz der für einen verwöhnten Deutschen wahrlich
unzumutbaren Arbeits- und Lohnbedingungen gefiel mir der Job sehr gut. Nach
einigen Monaten begann ich jedoch von all den schönen Orten zu träumen, an die
ich täglich Busladungen voller Touristen schickte. Ich selbst kannte die
Canyons und die Golden Gate Brücke nur von Bildern. Umso grösser war meine
Freude, als ich im Sommer 1993 in der Green Card Lottery die
heißbegehrte uneingeschränkte Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung für die
Vereinigten Staaten gewann. Das Schicksal meinte es gut mit mir. Einer Erlösung
aus dem Sklaventum stand nun nichts mehr im Weg. Ich kündigte meinen Job ebenso
spontan, wie ich ihn angenommen hatte und wagte den Schritt in die
Selbstständigkeit.
    Heute werde
ich oft gefragt, ob ich je bereut habe, in die USA ausgewandert zu sein. Dieser
Gedanke ist mir nie gekommen. Natürlich ist auch in Kalifornien nicht alles
Gold, was glänzt, aber die meiste Zeit fühle ich mich sehr wohl. Ich habe das
Meer vor der Tür, die Berge im Nacken und ein Klima, um das mich der Rest der
Welt nur beneiden kann. Wären da nur nicht diese gemeinen Erdbeben. Wackelt der
Boden, folgt eine Heimwehattacke und ich sage mir: „Scheiß auf den Pazifik, der
Schieder-Stausee tut’s auch.“ Aber die Angst vergeht. Sind die Nachbeben erst
verklungen, ist wieder alles im Lot. Inzwischen habe ich mir zur Aufgabe
gemacht, meine Begeisterung über Land und Leute an die zahlreichen Besucher aus Good Old Germany weiterzugeben. Auf meinen Rundreisen versuche ich, den
Menschen die Vereinigten Staaten so nahe wie möglich zu bringen. Ein Job, den
ich mit Leidenschaft zu lieben und auch zu hassen gelernt habe. Was für den
Außenstehenden oftmals wie Urlaub und pures Vergnügen aussieht, ist in
Wirklichkeit harte Arbeit, die eine Menge Fingerspitzengefühl verlangt. Ganz
davon abgesehen, ist uns Reiseleitern an der Westküste zwischen März und
November so gut wie kein Privatleben vergönnt. Fast jeder Kollege, den ich im
Laufe meiner Karriere begegnet bin, steht Sommer für Sommer einige Male kurz
davor, das Handtuch zu werfen. Wenn eine Frau Mueller zum dritten Mal ihren
Zimmerschlüssel verliert oder ein Herr Meier statt Sonne im Herzen nur noch
Pfeffer im Arsch hat, platzt auch dem geduldigsten Reiseleiter irgendwann der
Kragen. Doch wen das Reisefieber einmal packt, den lässt es so schnell nicht
wieder los. Sicher ein Grund, warum viele Genossen meiner Zunft auch im hohen
Alter noch als Reiseleiter unterwegs sind.
    Aber warum,
frage ich mich, besteht so ein großer Bedarf an Reiseleitern? Was sind das für
Leute, die sich in enge Busse zwängen und ihr Schicksal für zwei Wochen in die
Hände eines Fremden legen? Sie könnten doch ebenso gut ein Auto mieten und ganz
gemütlich durch die Gegend tuckern, ohne dass ihnen ständig gesagt wird, was
sie tun und lassen sollen. Ich begegne bei meiner Arbeit Menschen aller
Altersgruppen und aus allen sozialen Schichten. Sollte ich einen typischen
Bustouristen profilieren, müsste ich passen. Ganz klar sind Ehepaare ab fünfzig
Jahren auf so einer Reise meist in der Überzahl. Besonders in den letzten
Jahren sind jedoch immer mehr Familien, junge Leute und Einzelreisende dabei.
Die Gründe der Urlauber, eine organisierte Rundreise zu buchen, sind ebenso
vielfältig, wie die Menschen selbst. Der eine möchte sich zurücklehnen und
abschalten, der andere möchte gern in Gesellschaft reisen. Es gibt jene, die
der
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