Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Honecker privat

Honecker privat

Titel: Honecker privat
Autoren: L Herzog
Vom Netzwerk:
unerzogene Tier Honecker sogar in die Wade. »Du böser Hund!«, rief der erschreckt aus und ließ sich von seinem Personenschützer Bernd Brückner befreien. Das war es aber auch schon. Eigentlich hätte der Hund Schärferes verdient.
    Flex nahm man stets mit: nach Dölln, nach Wildfang und wo die Familie am Wochenende oder im Urlaub sonst noch weilte. Er strich mir beim Servieren um die Beine, lag im Weg oder knurrte mich an, wenn ich meinen Job machte. Ich begann das Vieh zu hassen.
    An einem Sonntag im Herbst 1984, Honeckers hatten Besuch, trug ich das Mittagessen auf. Das heißt: ich hatte dieses vor. Doch der Cocker stellte sich in den Weg und benahm sich wie immer. Da platzte mir der Kragen und ich bat höflich, aber doch sehr bestimmt, dass man den Hund doch während des Essens aus dem Zimmer verbannen möge. Honecker zeigte sich verständig und wollte der Bitte entsprechen, als plötzlich Roberto zu toben anfing. Nein, Flex müsse im Zimmer bleiben, schrie er und stampfte mit den Füßen auf den Boden.
    Da knickte Honecker ein.
    Der Zwischenfall war ihm vor seinen Gästen sichtlich peinlich.
    Ich erledigte, trotz Hund im Raum, meinen Job und fuhr nach dem Dienst nach Hause. Irgendwie ahnte ich, dass die Sache ein Nachspiel haben würde. Ich sollte mich nicht getäuscht haben.
    Bereits am nächsten Tag wurde ich zu meinem Vorgesetzten einbestellt. Major Gerd Schmidt, Chef der Verwaltung der Waldsiedlung, teilte mir lapidar mit, dass meine Tätigkeit im Hause Honecker zu Ende sei. Ich solle mich von ihm fernhalten. Keine Begründung, keine Erklärung, nichts.
    Für mich war klar, dass es nur an der Töle und dem gestrigen Vorfall lag. Ich fügte mich in mein Schicksal ohne zu murren, wie ich es seit 22 Jahren tat.
    Wie aber nun weiter? Ich erschien fortan jeden Tag zum Dienst im Klubhaus der Waldsiedlung und wartete, dass ich etwas zu tun bekam. Doch das war nie der Fall. Die Kollegen musterten mich scheel, als wähnten sie mich mit einer ansteckenden Krankheit behaftet. Bisweilen wurde ich zum Servieren nach Berlin geschickt, meist im Palast der Republik zu größeren Empfängen, aber stets mit der Vergatterung, auf keinen Fall in die Nähe des Tisches von Erich Honecker zu geraten.
    Ich war drauf und dran, den Dienst zu quittieren, aber dann hatte ich die 25 Jahre vor Augen, die ich unbedingt schaffen wollte, denn bei diesem Jubiläum gab es fünftausend Mark als Treuprämie. Die wollte ich nicht auf der Zielgeraden dran geben.
    Dann wurde ich, es war Mitte Oktober, wieder zu Schmidt bestellt. Ich nahm an, er würde mit mir über meine Zukunft, über meine berufliche Perspektive reden, doch er sprach über meine Familie und stellte merkwürdige Fragen, deren Sinn und Anlass sich mir nicht erschlossen. Ich solle mich mehr um meine Tochter kümmern, sagte Schmidt, sie besser kontrollieren. Wie wäre es, wenn ich mit ihr mal in den Urlaub führe und mit ihr über alles redete.
    Was war »alles«? Ich verstand nur Bahnhof.
    Er habe in einem Ferienheim in Oberwiesenthal drei Ferienplätze, die würde er mir, meiner Frau und meiner Tochter gern zur Verfügung stellen, sagte Schmidt. Ja, warum nicht, antwortete ich ihm, ich hätte ja ohnehin derzeit keine Verpflichtungen in der Wandlitz, keine Termine, keine Auslandsreisen, keine Weiterbildungsmaßnahmen.
    Schmidt lächelte erleichtert.
    Und ich grübelte: Was war da im Busche?
    Wir fuhren zu dritt ins Erzgebirge und hatten ein paar schöne Tage, doch als wir im Kleinen Grenzverkehr einen Ausflug nach Karlovy Vary machen wollten, winkten mich nach der Ausweiskrontrolle die Grenzer aus der Schlange. Ich solle, hieß es, meinen Dienstvorgesetzten anrufen. Das tat ich. Schmidt erklärte mir, dass ich die DDR nicht verlassen dürfe.
    Warum nicht, fragte ich zurück. Das könne er mir nicht sagen, nicht am Telefon.
    Er sagte es mir auch nicht nach meiner Rückkehr. Handelte es sich um eine bloße Schikane, fürchtete man, dass ich abhauen wollte? Und weshalb? Weil ich keine befriedigende Arbeit mehr hatte?
    Die Wochen der Untätigkeit zogen sich hin. Ich empfand die Situation als zermürbend und unerträglich. Ich fuhr morgens zum Dienst, saß meine Zeit ab und fuhr am Abend wieder nach Hause. Im Klubhaus durfte ich nichts anfassen, mich nicht groß aus dem Haus entfernen. Ich stand sichtlich unter Quarantäne. Man schlug mir eine Kur in Johanngeorgenstadt vor, im März 1985 solle ich sie antreten. Bis dahin, so tröstete mich mein Chef, wäre auch meine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher