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Honecker privat

Honecker privat

Titel: Honecker privat
Autoren: L Herzog
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Kassettendeck. Dieser sollte uns die ganzen 80er Jahre hindurch gute Dienste leisten.
    Erich Honecker absolvierte in Tokyo ein straffes politisches Programm. Er wurde mit allen protokollarischen Ehren empfangen, Kaiser Hirohito begrüßte ihn am Haupteingang des Palastes persönlich, die Öffentlichkeit wurde darüber in den Medien informiert. Es gab Gespräche mit dem Ministerpräsidenten und verschiedenen Kabinettsmitgliedern, mit Parlamentariern und dem Präsidenten des Oberhauses. Die Minon-Universität verlieh ihm die Ehrendoktorwürde. Ihm war die Geste wichtig, die er dankbar und gerührt quittierte, doch nie schmückte er sich später – im Unterschied zu manch anderem Politiker – mit dem Dr. h.c. vor seinem Namen. Nach drei Tagen verließen wir Tokyo und reisten mit dem Shinkansen in die alte Kaiserstadt Kyoto, vorbei an dem schneebedeckten Berg aller Berge, dem Fujiyama. Als wir im Schnellzug mit 300 Stundenkilometer vorüberrauschten, lag die Sonne auf dem weltbekannten Kegel, was nur selten der Fall sein soll, wie es hieß. Die meiste Zeit des Jahres umhüllen ihn Wolken oder Nebel.
    In Kyoto nahm ich als Delegationsmitglied an den Führungen durch die Sehenswürdigkeiten teil, bei der es zu einem Zwischenfall kam, der später unter uns zu großer Heiterkeit führte. Vor dem Betreten des alten Kaiserpalastes mussten wir uns unserer Straßenschuhe entledigen und sie vor der Tür aufreihen. Drinnen nahmen wir auf Kissen Platz, Geishas reichten uns einen Imbiss und zeigten uns, wie man mit Stäbchen aß. Danach schlüpften wir in unsere Schuhe. Honecker, um den sich die Begleiter drängten, kam als letzter ins Freie. Es stand auch nur noch ein Paar Schuhe dort: zwei ausgelatschte Treter in Übergröße. Das waren garantiert nicht die von Honecker. Der überspielte die peinliche Situation und schlüpfte in die Gurken. Später wurde geklärt, wer Honeckers Schuhe irrtümlich angezogen hatte: es war Botschafter Horst Brie. Offenkundig war er so verwirrt oder aufgeregt, dass er nicht einmal bemerkt hatte, dass die Schuhe ihm viel zu klein waren.
    Der Abschluss der Reise war der Friedenspark in Nagasaki, mit dem an den Abwurf der US-Atombombe am 9. August 1945 erinnert wurde. Honecker enthüllte eine Stele »Völkerfreundschaft« von Gerhard Rommel. Die Plastik steht noch heute dort, es ist die einzige aus Deutschland.
    Danach kehrten wir nach Berlin zurück. Natürlich mit Zwischenstopp in Moskau, um dort zu berichten.
    In der Folgezeit schlossen sich weitere Staatsbesuche an, auf die ich nicht weiter eingehen muss.
    Meine Mission war stets die gleiche, ohne dass ich je groß benötigt wurde. Aber ich war präsent für den Fall, dass ich gerufen wurde.
    1981 ging es noch nach Mexiko, auf dem Rückflug schauten wir bei Fidel Castro vorbei. Die Begegnung war nur kurz und fand im Flughafengebäude statt. 1982, im Herbst, erfolgten Staatsbesuche in Nahost. Auf dem Programm standen Syrien, Zypern und Kuweit, 1984 begleitete ich Erich Honecker nach Guinea und Äthiopien.
    Dann aber war mit dem Reisen Schluss.

Blöde Töle
    Gegen den Willen der Familie holte sich Honecker einen Cocker Spaniel ins Haus. Es war ein Wunsch seines Enkels nach einem Tier, doch ein Hund in der Berliner Stadtwohnung, in der Leipziger Straße, wo die Familie Yanez lebte, wäre Tierquälerei gewesen. Deshalb kam er nach Wandlitz. Der Welpe mit braunem Fell und hängenden Ohren, ein Rüde, sah herzallerliebst aus, als er jung war, und bekam von Honecker den Namen Flex. Was aber überflüssig war. Der vermeintliche Jagdhund hörte weder auf seinen Namen noch überhaupt. Er bestätigte alle Unarten, die man dieser Rasse nachsagte, und die man vielleicht freundlich mit dem Begriff »eigensinnig« umschreiben kann. Und wenn dann keine Hundeerziehung erfolgte, war ohnehin alles zu spät.
    Binnen kurzer Zeit entwickelte sich Flex zum Schrecken der Waldsiedlung. Er zerfetzte alles, was ihm vor die Schnauze kam, und Honecker ließ ihm alles durchgehen, er verzog ihn. Beim Abendbrot fütterte er ihn mit Wurst und Fleisch, die man verarbeitet zu Hundehaufen anderentags rund ums Haus verstreut fand. Im Winter durften die Straßen und Wege in Wandlitz bei Eis nicht mit Salz gestreut werden – Flex hätte sich ja dadurch etwas an den Pfoten holen können.
    Nach etwa zwei Jahren war die Töle derart versaut, dass sie jeden anknurrte und attackierte, der ihr vor die Nase kam. Natürlich auch Margot Honecker, und am Ende sogar ihn selbst. Einmal biss das
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