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Honecker privat

Honecker privat

Titel: Honecker privat
Autoren: L Herzog
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hatten. Ich fragte die beiden, die allein am Tisch saßen, was sie trinken wollten, und beide antworteten unisono:
    Bier.
    Wernesgrüner oder Radeberger, erkundigte ich mich bei Schmidt, und der schaute mich an, als ob ich ihn nach der Anzahl seiner Haare auf dem Kopf gefragt hätte.
    »Kenne ich nicht«, sagte der Weltpolitiker.
    »Ich bevorzuge Radeberger«, sagte ich.
    »Also Radeberger.« Der Form halber fragte ich auch Honecker, denn soweit kannte ich ihn bereits, dass er stets das nahm, was sein Gegenüber trank.
    »Auch ein Radeberger«, sagte er wie erwartet.
    Die beiden schienen sich bei Bier und Bratkartoffeln ziemlich nahegekommen zu sein, denn in großer Runde später redete der Bundeskanzler Honecker mit »verehrter Freund« an.
    Nun endlich zum Tenno
    Unmittelbar nach dem X. Parteitag der SED hieß es Koffer packen. Der lange vorbereitete Staatsbesuch in Japan stand an. Natürlich waren es in erster Linie wirtschaftliche Interessen, die das fernöstliche Kaiserreich so interessant für die DDR machten, Staatssekretär Gerhard Beil hatte auf beiden Seiten gute Vorarbeit geleistet. Seit zehn Jahren bestanden Wirtschaftsausschüsse DDR-Japan und Japan-DDR, und dort vor allem kam der Druck her, endlich auch auf höchster Ebene Kontakte zu knüpfen. Der Handelsumsatz betrug inzwischen über eine Milliarde DM im Jahr. Günter Mittag hatte bereits 1975 und 1977 mit Wirtschaftsdelegationen das Land bereist, nunmehr also sollte auch Honecker kommen.
    Fast drohte die Staatsvisite an einem winzigen Detail zu scheitern. Erich Honecker weigerte sich, einen Frack zu tragen, der aber für ein Staatsbankett vorgeschrieben war. Für ihn war diese Gewandung Inbegriff bourgeoiser Dekadenz, er wollte so etwas nicht anziehen. Letztlich führte sein Widerstand zur Änderung des Programms. Es sollte nur eine Privataudienz bei Kaiser Hirohito mit einem gemeinsamen Essen stattfinden, bei dem laut Dresscode ein gedeckter Anzug genügte.
    Am 24. Mai 1981 landeten wir, nach einem Tankstopp im sibirischen Irkutsk, in Narita, dem internationalen Airport von Tokyo. Auf mehrspurigen Autobahnen fuhren wir in die verstopfte Innenstadt, in der weit über zehn Millionen Menschen lebten und noch mehr arbeiteten. Kein Vergleich mit Berlin, das wie ein Dorf erschien. Es war laut und bunt und die Luft nicht zum Atmen. Viele Menschen, die sich auf den Bürgersteigen drängten, trugen weiße Tücher vor Mund und Nase.
    Wir wurden in der 40. Etage eines Luxushotels einquartiert, von der man einen beeindruckenden Blick auf die Stadt hatte. Häuser bis zum Horizont, durch die Schneisen mit Autobahnen in mehreren Etagen geschlagen waren. Aus der Häuserebene wuchsen Wolkenkratzer, Riesentürme wie eben unser Hotel. Das war eine völlig andereWelt als die uns bislang bekannte.
    Der Fernseher im Hotelzimmer bot Dutzende Programme, darunter auch einige Kanäle, die – gegen Entgelt – Schlüpfriges zeigten, wobei man sich bei aller Freizügigkeit an die gesetzliche Vorschrift hielt: kein Schamhaar.
    Die Küche bot Einheimisches und Gerichte im Western Style, womit alles Nicht-Japanische bezeichnet wurde. Wirklich alles. Im Shinkansen, dem Superzug, beispielsweise gab es die traditionellen japanischen Toiletten, die den französischen ähnelten, und welche im Western Style, wie wir sie aus der Heimat kannten.
    Mir wurde ein Auto mit Fahrer zur Verfügung gestellt, der – sollte Erich Honecker irgendwelche Wünsche haben – mich dorthin bringen sollte, wo man dies bekam. Oder in das kaiserliche Gästehaus, zu dem ich, ausgewiesen durch entsprechende Dokumente, jederzeit Zutritt hatte.
    Ich war dort mehrere Male, obgleich Honecker keine Wünsche hatte. Er war, wie man so sagte, wunschlos glücklich. So hatte ich denn auch die Gelegenheit zu einem Stadtbummel, fuhr mit der U-Bahn und amüsierte mich, dass trotz Hightech die Tickets per Hand gelocht wurden, überhaupt schien die Beschäftigung von Menschen vordringlicher zu sein als der Einsatz von Technik. Ich sah Baustellen, auf denen die Kräne fehlten und die Arbeiter das Material mehrere Etagen hoch trugen. Auf der Ginza glitzerte und blinkten die Fassaden, die Hauptgeschäftsstraße war ein Einkaufsparadies für alle, die Geld hatten, dazu gehörte ich eindeutig nicht. Mein Gespartes reichte nicht für einen kleinen transportablen Fernseher, ernüchtert verglich ich die Preise mit dem Inhalt meiner Brieftasche. Die 200 gesparten Dollar langten lediglich für einen Stereorekorder mit
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