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Honecker privat

Honecker privat

Titel: Honecker privat
Autoren: L Herzog
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konferierte er mehr oder minder inoffiziell. Herbert Wehner (SPD) und Wolfgang Mischnick (FDP) waren als erste dort, das war 1973. Berthold Beitz, Vorstandsvorsitzender der Krupp AG war fast schon Stammgast, im Mai 1975 verbrachte er erstmals einen kurzen Urlaub dort und unternahm mehrere Jagdausflüge, 1988 kam er zum letzten Mal. Er war ein äußerst angenehmer, kultivierter Gast. Als er sich verabschiedete, bedanke er sich bei jeder Zimmerfrau, dem Koch und dem Kellner persönlich und drückte auch mir einen Hunderter in die Hand. Den lieferten wir natürlich selbstredend sofort ab. Dafür durften wir uns im Ladenkombinat in Wandlitz im Gegenwert etwas aussuchen. Ich nahm Bettwäsche und Badetücher, was natürlich Marianne sehr freute. Lagen wir auf den Bettlaken von Beitz, erinnerte ich mich seiner gern.
    Franz Josef Strauß stieg dort ebenfalls ab. Auch ihn lernte ich als angenehmen Gast kennen, er war liebeswürdig und sympathisch, was ich so nicht erwartet hatte. Hubertusstock war wohl ein wichtiger Ort in Honeckers überschaubarem Koordinatensystem. Doch ab Mitte der 70er Jahre verbrachte er den Urlaub und den Jahreswechsel meist in Wildfang, dem Anwesen bei Klosterfelde in der Schorfheide, das schon das Lieblingsrevier der Hohenzollern war. Dort war Honecker ganz privat. Ich hatte 1975 zum ersten Mal dort Dienst, gemeinsam mit einem Koch hatten wir Weihnachten und Silvester zu arbeiten. In den Folgejahren teilte ich mir die beiden Wochen mit einem Kollegen, so dass ich entweder das Fest oder den Jahreswechsel mit meiner Familie verbringen konnte.
    Honeckers nutzten dort zwei Appartements. Dazu kamen der Restaurantbereich, der Kinosaal, eine Schwimmhalle mit Sauna, eine Kegelbahn sowie ein Schießkeller. Die Unterkünfte des Personals einschließlich der Personenschützer befanden sich in einem anderen Gebäude. Dort nahmen wir auch unser Essen ein oder lungerten im Fernsehraum vor dem Bildschirm. Bei Bedarf wurde frische Ware aus Wandlitz angefordert. Nach dem Fest revanchierte sich Honecker bei jedem mit einem Rucksack voll Thüringer Wurst, Schinken und einer Flasche Hochprozentigen, und meist lag auch noch ein Jagdmesser dabei. Das konnte man immer gebrauchen, ob man nun zur Jagd ging oder auch nicht. Notfalls stellte man es in die Schrankwand und konnte damit angeben: Das Messer hat mir Erich Honecker geschenkt.
    Am reichsten beschenkt jedoch wurde Enkel Roberto, der 1974 dazukam. Das Kind von Sonja und ihrem chilenischen Mann veränderte Erich Honecker merklich, er wurde gleichsam menschlicher und milder.
    Ich entsinne mich späterer Weihnachtsfeste, in denen das Restaurant vollgestellt war mit Eisenbahnen, Autos und anderem Spielzeug. Das Kind war völlig mit der Fülle überfordert und beschäftigte sich nur kurzzeitig mit diesem oder jenem, dann erlahmte das Interesse. Sein Großvater liebte den Jungen mit den dunklen Kulleraugen abgöttisch und erfüllte ihm jeden Wunsch. Es gab keine Grenze, die Roberto hätte überschreiten können: Opa sah ihm alles nach, sein wilder Enkel war der Mittelpunkt in Wildfang, er akzeptierte den kleinen Diktator.
    Die Geschenke, sofern sie denn aus dem Westen kamen, hatte Mittag besorgt, dessen Jagdhaus nur wenige Kilometer entfernt lag.
    Zu Weihnachten kam auch Erika, die Tochter aus Honeckers erster Ehe mit Edith Baumann. Sie gehörte dazu. Jedoch, so schien mir, fand sie wenig Gefallen an dem ganzen Aufwand, der um ihren Vater betrieben wurde. Sie lebte mit ihrer Familie das Leben eines normalen DDR-Bürgers, sie war geerdet, wie man bei uns sagte, stand also mit den beiden Beinen nicht nur im Leben, sondern fest auf dem Boden der Realität. Ich glaube, dass sie ein sehr gesundes Augenmaß hatte und darum oft kopfschüttelnd nach dem Fest zurück nach Berlin fuhr.
    Zu den von Erich Honecker gepflegten Ritualen gehörte, dass das Jahr zweimal begrüßt wurde. Zum ersten Mal stieß er 22 Uhr an, als es in Moskau 0.00 Uhr war, zwei Stunden später wünschte er nach deutscher Zeit Prosit Neujahr. Und zwar auch allen Bediensteten. Danach war schon bald Schluss, weil er als Frühaufsteher wegen einer kurzen Nacht nicht seinen Tagesrhythmus aufgeben wollte. Auch am Neujahrsmorgen saß er nie später als 8.30 Uhr am Frühstückstisch mit Zitronensaft und Langnesehonig, und am 2. Januar war der Urlaub vorbei und er fuhr zur Arbeit. Es folgten der Neujahrsempfang für das Diplomatenkorps und die traditionelle LLDemo, Wilhelm Pieck hatte am 3. Januar Geburtstag, und wenn es
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