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Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)

Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)

Titel: Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)
Autoren: Albert Karer
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der Kinder.
    Als er sich ihnen näherte, sah er James’ Frau Sarah, die an einem kleinen Tisch Getränke ausschenkte. Vielleicht Apfelmost aus der Ernte vom letzten Jahr. Sie winkte ihm lächelnd zu. Zwischen den drei Apfelbäumen, direkt in der Mitte, war das Gras geschnitten. Neben einem Erdhügel standen Männer mit hochgekrempelten Ärmeln, manche mit Schaufeln in der Hand.
    Sie wichen zur Seite und gaben den Blick auf eine Grube frei. Zwei Männer waren dabei, die Erde auszuheben. Einer war James, als er Brian sah, stieg er aus der Grube und drückte seine Schaufel einem blonden Mittdreißiger in die Hand, der wirkte, als kenne er eine Schaufel bisher nur als Bild im Globalnet.
    „Herr Fletcher, wir haben Sie schon erwartet“, sagte James. „Es war sein Wunsch, hier begraben zu werden, bis man ihn später einmal in die Westminster Abbey überführt. Wir werden ihn um 20 Uhr begraben.“ Er lächelte. Es war ein warmes, freundliches Lächeln. Noch ein Mensch, der Tobias gemocht hatte.
    „Wo ist er?“, fragte Brian mit belegter Stimme.
    „Kommen Sie.“
    Sie folgten dem schmalen Weg auf dem abfallenden Gelände, gleich darauf sah Brian das Dach eines kleinen alten Hauses, das sich an den Hang schmiegte und von oben nicht zu erkennen gewesen war. Er blieb stehen und genoss den Ausblick: das Meer, die Bergstation der ehemaligen Standseilbahn und einige alte Gebäude, der Himmel war wolkenlos. Schließlich ging er zu James, der geduldig auf ihn wartete.
    „Eine kleine Kapelle, etwa achthundert Jahre alt“, erklärte James. Er öffnete die alte Eichentür, und sie standen in einem überraschend geräumigen Raum. In der Mitte war ein Sarg. An dessen Kopfende zwei große Kerzen, die ein gedämpftes, warmes Licht verbreiteten. Brian trat näher. Sie hatten Tobias ein weißes Hemd angezogen und seine Hände auf den Bauch gelegt. Er sah aus, als schliefe er, entspannt und friedlich. Oberhalb seines Kopfes lag die silberne Haube, die Hardware-Komponente des Feist-Interface.
    James wartete respektvoll hinter ihm. Brian stand kurz am Sarg, drehte sich dann abrupt um, um die Kapelle zu verlassen.
    „Moment bitte“, hielt ihn James auf. Er ging zum Sarg und nahm die silberne Haube. „Es ist sein Wunsch, dass Sie sie erhalten.“
    Brian nahm die Haube entgegen und drehte sie in der Hand. Sie war extrem leicht und makellos gearbeitet, er entdeckte keinerlei Oberflächenstrukturen. Die Haube wirkte einerseits metallisch, andererseits fühlte sie sich elastisch an.
    „Setzen Sie sie auf.“ Zögernd setzte Brian sich die Haube auf den Kopf. Sie passte perfekt, obwohl er eine ganz andere Kopfform als Tobias hatte. Die Haube trug sich angenehm. Brian wollte sie gerade wieder absetzen, als er eine Stimme hörte. Erschrocken griff er nach James’ Arm.
    „Ja, beim ersten Mal erschrickt man. Die Stimme, die Sie hören, erzeugt die Haube, indem sie direkt den Hörnerv stimuliert. Es ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, da wir ja normalerweise stereo hören und uns an der Schallquelle orientieren.“ Brian nickte nur.
    „Confidence?“, sagte er laut.
    „Brian, es wurde auch langsam Zeit, dass du in die Gänge kommst.“ Vor seinem geistigen Auge bildete sich eine Gestalt. Ihre Konturen wurden immer klarer und schärfer. Es war ein Schock.
    Brian ging zwei, drei Schritte rückwärts und wäre wohl gestolpert und hingefallen, hätte ihn James nicht gehalten. So landete er mehr oder weniger sanft auf einer Bank an der Kapellenwand.
    „Tobias?“ Er sah Tobias, der ihm zum Abschied „See you“ sagte. Mary, die ihm „Grüße Tobias von mir“ ins Ohr schrie. James, der „Es ist sein Wunsch“ sagte, und nicht: Es war sein Wunsch.
    „Du lebst?“, stammelte er.
    „Leben ist ein komplexer Zustand. Sagen wir es mal so, etwas, was Tobias ausmacht, existiert noch, und ich muss erst lernen, was das genau bedeutet. Tobias ist jetzt Confidence und Confidence ist Tobias. Ich schlage vor, wir bleiben bei Confidence, das passt besser.“
    Brian sah verwirrt hinüber zum Sarg. Er stand auf und starrte den Toten an. Konnte es wirklich sein, hatte es Tobias tatsächlich geschafft, Geist und Körper voneinander zu trennen? Ihm wurde wieder schwindlig.
    „Brian, ich weiß nicht, wie lange ich so existiere. Vielleicht nur ein paar Stunden, vielleicht Tage, vielleicht ewig. Du musst nun deine Aufgabe beginnen, jetzt kann ich dich noch unterstützen.“
    „Du meinst den Wiederaufbau?“ Er war immer noch fassungslos, dass er sich mit
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