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Holz und Elfenbein

Holz und Elfenbein

Titel: Holz und Elfenbein
Autoren: Tanya T. Heinrich
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Saison würde damit wahrscheinlich seine letzte sein, so schade dies war. Doch sein Studium war nun einmal bald zu Ende. Allerdings verspürte er genau deswegen einen um so stärkeren Drang so lange als möglich im Orchester zu spielen und in Genf zu bleiben. Es war einfach vertraut, er kannte alles und jeden. So leicht konnte er dies nicht aufgeben.
    Die letzten Monate hatte jeder Musiker für sich alleine die neuen Stücke erarbeitet. Heute würden sie zum ersten Mal gemeinsam musizieren. Noch nicht das ganze Orchester, die Tuttiproben würden frühestens in zwei Wochen anstehen, doch zumindest die Violinen würden heute zusammen proben. Das waren immerhin schon fast 30 Musiker. Würde alles auf Anhieb funktionieren? Oder gab es Probleme, und wenn ja an welchen Stellen? Ein spannender Moment war es allemal und genau dies war der Reiz, der für Claude das Arbeiten in so einem Orchester ausmachte. Er spielte seit zwei Jahren bei den ersten Geigen mit und war sicherlich einer der besten Geiger. Jedoch war und wollte er kein neuer Niccolò Paganini oder David Garrett werden. Er war einfach kein Solomusiker, das lag ihm nicht im Blut. Dazu musste man geboren sein und er war es nicht. Anders als seine Freunde Federico und Alexis, die beide mittlerweile erfolgreiche Solokünstler waren. Federico als Konzertpianist und Alexis als Organist, der eine sagenhafte Gabe zur Improvisation hatte.
    Ob wohl Stéphane noch einmal bei den Proben dabei sein würde? Stéphane war der Konzertmeister des Orchesters gewesen. Eine verantwortungsvolle Aufgabe! Der Konzertmeister stellte das Bindeglied zwischen Musiker und Dirigent dar. Er musste schlichten und vermitteln, wenn es zwischen den verschiedenen Instrumentengruppen zu Reibereien kam, was nicht selten war, wenn man bedachte, dass circa 80 Musiker und Musikerinnen in so einem Orchester zusammenspielen sollten. Auch leitete der Konzertmeister die Proben, sofern der Dirigent verhindert war und überwachte das Vorankommen der Musiker.
    Stéphane und Claude hatten sich von Anfang an gut verstanden als Claude damals Mitglied des Orchesters geworden war. Sie hatten für ein paar Monate in einer Beziehung gelebt, aber schnell waren sie beide damit nicht mehr zufrieden gewesen. Danach war es bei einigen privaten Treffen geblieben, die stets sehr schnell im Bett geendet hatten. Das war für sie beide okay gewesen.
    Bei diesen Erinnerungen fragte sich Claude unwillkürlich, ob er überhaupt fähig war zu einer ernsthaften, festen Beziehung. Bei Stéphane hatte es nur wenige Monate gehalten. Danach kam schon Honoré und mit diesem Mann hatte er bis dato am längsten in einer festen Partnerschaft gelebt. Obwohl, so fest war es auch wieder nicht gewesen, schon nach drei Monaten war Claude wieder cruisen gegangen. Aber das hatte ja auch noch andere Gründe gehabt, rechtfertigte Claude vor sich selbst sein Verhalten. Zurück zur Gegenwart.
    Stéphane würde nun nach Berlin ziehen und bei den Philharmonikern spielen. Claude müsste lügen, wenn er diesem Abschied nicht mit einer gewissen Wehmut entgegensah. Auch die Frage um Stéphanes Nachfolger musste noch geklärt werden. Er selbst stand sogar im engeren Favoritenkreis, doch zweifelte er daran, dass man ihn tatsächlich zum nächsten Konzertmeister ernennen würde.
    Claude konnte ziemlich unbequem sein, wenn es darum ging die Belange der Studenten zu wahren und sich dafür einzusetzen. Dies hatten schon einige Dozenten erfahren müssen, war Claude doch ein aktives Mitglied in so manchem Gremium. Manchmal hatte Claude das Gefühl, dass ihn der ein oder andere Dozent dafür in den Lehrveranstaltungen abstrafte, so ungerecht dies auch war.
    Er war damals – es musste wohl fast sieben Jahre her sein - auch der erste Schüler gewesen, der sich geradezu provokativ offen zu seiner Homosexualität bekannt hatte, indem er eine Schwulen- und Lesbengruppe ins Leben gerufen hatte. Und damals war er noch nicht einmal Student gewesen, sondern noch Schüler an einem Internat, der jedoch regelmäßig eine Violinförderklasse hier am Konservatorium besuchte hatte.
    Ach, er war jung gewesen und hatte auch provozieren wollen. Dabei hatte es Claude bewusst in Kauf genommen mit seiner Meinung anzuecken. Aber im Grunde hatten ihn diese Erfahrungen zu dem Menschen werden lassen, der er heute war und dafür war Claude mehr als dankbar. Seine Eltern hatten dies damals mit Sicherheit nicht so gesehen. Den Armen hatte er so einiges zugemutet.
    Auf dem Campus war indes
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