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Holz und Elfenbein

Holz und Elfenbein

Titel: Holz und Elfenbein
Autoren: Tanya T. Heinrich
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Selbst Franz Liszt hatte hier bereits unterrichtet. Warum sollte er also nicht hier studieren?
    Er galt als einer der besten Nachwuchstalente, bereits mit sechzehn hatte er seine erste CD eingespielt und die Kritiker hatten seine Interpretationen der bekannten Klassiker der Orgelmusik hochgelobt. Allerdings bezweifelte er, dass ihm sein Ruf viel nützen würde. Er war nur einer der vielen hoffnungsvollen Talente, von denen es hier eine ganze Menge gab.
    Mittlerweile waren sie wieder ins Freie getreten und überquerten den Innenhof des Campus, der wie eine kleine Parklandschaft angelegt war. Zu beiden Seiten des Kieswegs erstreckten sich Grünflächen mit zahlreichen Bäumen, die sicherlich so alt wie die Mauern der Gebäude waren. Auch wenn es bereits Oktober war und die Sonne hinter einer dicken Bank von Wolken verborgen, so saßen noch immer ein paar hartgesottene Studenten auf dem Gras um zu entspannen. Unwillkürlich grinste Alexis. Manche Dinge waren wohl überall auf der Welt gleich. Egal ob es Universitäten in den USA, Japan oder England waren, immer gab es diese Plätze, an denen sich die Studenten versammelten, um zusammen Spaß zu haben, oder um zu lernen.
    Ein anderer Student kam ihnen auf dem schmalen Weg entgegen, er hielt ein Bündel Noten unter dem Arm und studierte ein Schriftstück. Er schien so in seine Lektüre vertieft zu sein, dass er Alexis und dessen Begleiter gar nicht bemerkte, die die gesamte Breite des Wegs in Beschlag nahmen.
    »Hallo Fedri«, grüßte Kevin etwas lauter als nötig und verhinderte so noch rechtzeitig einen Zusammenstoß.
    Verdutzt blickte der Student auf, trat zur Seite und erwiderte den Gruß, dann ließ er das Papier sinken, das er noch immer in der rechten Hand hielt und wandte sich gleich an Kevin, Alexis würdigte er nur eines kurzen Blickes: »Kannst du mir einen Gefallen tun und mich bei Madame Dupal entschuldigen? Bei mir wird es leider später.« Die beiden schienen sich zu kennen, so vertraut wie sie miteinander sprachen.
    »Lass mich raten: Du musst schon wieder beim Dekan antanzen?«
    »Frag nicht.« Es klang eindeutig verärgert und mit einem letzten knappen Nicken, verabschiedete sicher der junge Mann.
    »Normalerweise ist er nicht so unfreundlich«, verteidigte Kevin das Verhalten des Studenten. »Nun, ich möchte auch nicht in seiner Haut stecken.« Kevin sah der forteilenden Gestalt nach, dann wandte er sich wieder Alexis zu, der den kurzen Wortwechsel mit Interesse verfolgt hatte. Ihm war als ob er den Studenten schon einmal irgendwo gesehen hatte. Nicht persönlich, da war sich Alexis sicher, doch warum kam er ihm dann vage bekannt vor?
    »Darf ich vorstellen: Federico Batist. Ich habe mit ihm zusammen Kompositionsunterricht«, fügte Kevin hinzu und er war sichtlich stolz darauf.
    »Das da war Federico Batist? Wirklich?« Jetzt war es an Alexis sich umzudrehen und betrachtete die Silhouette des Mannes, die schulterlangen blonden Haare und seinen energischen Gang. Er hatte ihn sich größer vorgestellt.
    »Ja, man stellt ihn sich anders vor, er wirkt so unscheinbar«, sprach Kevin genau seine Gedanken aus. »Sicher hast du bereits von ihm gehört. Er gilt als der beste Pianist, den das Konservatorium hat. Aber zurzeit läuft es nicht so gut für ihn.«
    Natürlich, hatte Alexis schon von diesem Wunderkind gehört. Nicht wenige verglichen dessen Fertigkeit am Klavier mit der Franz Liszts oder Frédéric Chopins. Federico war erst neunzehn Jahre alt, hatte bereits namhafte Wettbewerbe für sich entscheiden können und besuchte Meisterkurse bei den berühmtesten Pianisten auf der ganzen Welt. Außerdem hieß es in Fachkreisen, dass er höchstwahrscheinlich der nächste Gewinner des Chopin-Wettbewerbs in Warschau wäre. Dieses Vorspiel war die Champions League der Klaviermusik und wer ihn gewann, der konnte sich ein Engagement an den berühmtesten Häusern, egal ob in Europa, den USA oder Asien, quasi aussuchen. Alexis empfand tiefsten Respekt vor dem Pianisten.
    Endlich im Sekretariat angekommen, verabschiedete sich Alexis von Kevin und dankte ihm nochmals.
    »Ach nicht nötig«, wehrte ihn dieser verlegen ab. »Wenn du mir dafür mal eine Stunde an der Orgel geben könntest? Ich spiele nämlich auch.«
    »Vielleicht, mal schauen wie meine Kurse liegen«, wich Alexis elegant aus. Kaum war Alexis hier angekommen und bekam sogleich die ersten Unterrichtsstunden angedreht. In London hatte ihm sein Professor häufig Schüler abgetreten. Der alte Miller hatte
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