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Holz und Elfenbein

Holz und Elfenbein

Titel: Holz und Elfenbein
Autoren: Tanya T. Heinrich
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wenig los. Die meisten Studenten befanden sich noch auf ›Heimaturlaub‹ und würden in den nächsten Wochen so langsam zurückkehren. Das Semester begann ja auch erst wieder im Oktober. So war es ausnahmsweise einmal kein Problem einen vernünftigen Abstellplatz für sein Fahrrad zu finden. Der große Probenraum war schon gut gefüllt als Claude zu seinen Mitstreitern stieß, doch ihr Professor war noch nicht anwesend. So gesellte er sich auch gleich zu Olivia, Cellistin und seine Schwester im Geiste, da offen lebende Lesbin, und Izumi, zweite Geige und seines Zeichens ein äußerst attraktiver Halbjapaner, jedoch eine ausgesprochene Hete.
    Sie mutmaßten selbstverständlich über Stéphanes Nachfolge und das neue Konzertprogramm.
    »Nun ja, es ist sehr... klavierlastig«, formulierte Claude vorsichtig als Olivia wissen wollte, was er davon hielt.
    »›Klavierlastig‹. Natürlich ist es das, wenn allein zwei Klavierkonzerte auf dem Programm stehen. Aber das Interessante an der Sache ist doch, dass niemand von den Pianisten hier am Konservatorium dafür verpflichtet wurde.« Was Olivia wieder alles wusste! Es gab kaum jemanden, der über einen besseren Draht zur Verwaltung verfügte.
    »Also ein Externer?«, Izumi schüttelte missbilligend den Kopf. »Muss das sein?«
    Claude lächelte in sich hinein. Das Orchester war eben eine eingeschworene Truppe. Natürlich wurden externe Musiker da eher skeptisch beäugt. Aber es war schon interessant, dass keiner der hiesigen Pianisten für die europaweite Konzerttournee engagiert worden war.
    »Hat Stéphane dir nichts gesagt?«, wandte sich Izumi an Claude, mit einer gewissen Schärfe in der Stimme.
    »Warum sollte er? Außerdem sind wir nicht mehr zusammen, aber das weißt du ganz genau. Also komm mir nicht damit«, feuerte Claude zurück und konnte den Ton in Izumis Stimme gleich richtig einordnen. Selbstverständlich hatte es Gerede und einige missbilligende Blicke gegeben als Claudes und Stéphanes Beziehung publik geworden war und Claude auch noch so schnell zu den ersten Geigen aufgestiegen war. Es hatte böse Zungen gegeben, die für diesen Aufstieg vor allem Claudes Beziehung zu ihrem Konzertmeister verantwortlich gemacht hatten und nicht seine Fertigkeiten mit der Geige.
    »Stéphanes Nachfolge muss jetzt auf jeden Fall geklärt werden«, versuchte Olivia das Thema zu wechseln und in diesem Punkt mussten sie ihr alle recht geben.
    Professor Noblet, der das Orchester leitete, begrüßte sie wenig später und schickte sie dann in die verschiedenen Übungsräume damit die Instrumentengruppen ihre Parts proben konnten.
    Nun saßen die gesamten Geigen zusammen und so recht voran gehen wollte es auch nicht. Stéphane war natürlich auch der Leiter der Geigen gewesen und da er nun nicht mehr da war, wollte zunächst auch niemand die Leitung über die heutige Probe übernehmen. Schließlich nahm Claude das Heft in die Hand. Nach drei Stunden des harten Übens und Wiederholens, unterbrochen von einer halben Stunde für eine gemütliche Pizzapause, war das Ergebnis schon recht zufriedenstellend, zumindest was das Schumannsche Klavierkonzert anging, das sie sich heute zur Brust genommen hatten. Die meisten hatten in ihren Ferien ausgiebig geübt und die Früchte dieser Arbeit kamen nun voll zum Tragen.
    In besagter Pizzapause hatte Claude auch die Mailbox von seinem Handy abgehört und darauf überraschenderweise eine Nachricht von Stéphane gefunden.
    »Ich denke, wir haben heute Abend so einiges zu feiern. Außerdem fliege ich übermorgen nach Berlin. Ich treffe dich an der Bushaltestelle.« Kryptischer ging es wohl auch nicht mehr. Was sollte das denn bitteschön heißen? Claude rätselte darüber während der gesamten Pause. Er wusste ja, dass Stéphane bald weggehen würde und dass es dann heute Abend auf Sex hinauslaufen würde, dass konnte er sich auch denken. Und nein, er hätte nichts dagegen. Der Sex mit Stéphane war immer gut gewesen und würde es auch heute sein. Aber was hätten sie denn zu feiern?
    Claude war so in seinen Gedanken versunken gewesen, dass er den Disput zwischen den ersten und zweiten Geigen schweigend mit angehört hatte. Es ging um eine gewisse Stelle im dritten Satz des Konzerts. Es hatte keinen Zweck weiter über Stéphanes Nachricht nachzudenken. Er musste sich wohl bis zum Abend gedulden.
    »Ich sag es dir heute schon, Izumi. Wenn du es so spielst, wirst du nicht mehr den Rhythmus aufnehmen können«, sprach Claude sein Machtwort, um die
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