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Holz und Elfenbein

Holz und Elfenbein

Titel: Holz und Elfenbein
Autoren: Tanya T. Heinrich
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Ewigkeit gewesen war. Damals hatte er sich kaum aufrecht halten können, hatte immer Angst gehabt er würde von der Orgelbank rutschen, sobald er anfing mit den Füßen das Pedal zu spielen. Der Junge hatte schon recht. In der Tat konnte man sich nirgends festhalten, wenn man mit den Händen und Füßen gleichzeitig spielte und es dauerte eine gewisse Zeit bis man sein Gleichgewicht gefunden hatte und noch länger bis die Bewegungen ein gewisses Maß an Eleganz besaßen. Andere würden dies für unnötig erachten, da in der Regel der Organist den Blicken der Leute verborgen war. Alexis jedoch hielt es für sehr wichtig, es gab nichts Schlimmeres als einen Organisten, der breitbeinig an einer Orgel saß und auf die Pedale eintrat als ob er einen Käfer zertreten wollte.
    Das Geräusch von eiligen Schritten auf dem Parkett ließ ihn aufsehen. Eine Frau hatte den Saal betreten und sie winkte ihm zu als sie ihn dort sitzen sah. Valerie stammte ebenfalls aus England und bereits letzte Woche hatten sie abends zusammen gegessen. Sie kannten sich seit einigen Jahren und waren gute Freunde geworden, seit sie zusammen eine Konzertreihe in England gespielt hatten. Sie hatte sich damals mehr erhofft und er war gezwungen gewesen ihr zu erklären, dass er schwul sei und sie sich keine Hoffnungen machen sollte. Zum Glück hatten sie diesen peinlichen Moment beide gut überwunden und waren Freunde geblieben.
    »Endlich kommt frischer Wind in den Kurs. Es gibt da ein paar Leute, denen muss dringend jemand zeigen, wie man richtig Orgel spielt.« Sie machte eine abfällige Handbewegung als sie neben ihm Platz genommen hatte.
    »Ts, und wenn ich darauf keine Lust habe?«
    »Ach komm schon. Hast du etwa deinen Biss verloren? Das kannst du mir nicht weismachen! Außerdem haben wir schon Wetten darüber abgeschlossen, ob du besser als Giles bist. Er ist bis jetzt der Star gewesen.«
    Sie kannte ihn einfach zu gut. Er grinste, dies war eine Herausforderung ganz nach seinem Geschmack. »Wie sind die Quoten?«
    Valerie lächelte: »Sie stehen gut für dich.«
    Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass man ihm offenbar so viel zutraute. Alexis war stolz auf sein Können und er wusste, dass er gut war. Wahrscheinlich rührte sein enormes Selbstbewusstsein daher. Aber wer sich bei jedem Konzert oder CD-Einspielung in die Gunst der Kritiker begab, benötigte auch ein gutes Selbstbewusstsein.
    Langsam stießen die anderen Studenten zu ihnen. Die Stimmung war freundlich, aber auch angespannt. Schnell ergaben sich die ersten Gespräche und Hände wurden geschüttelt. Doch die Unterrichtsstunde über barocke Orgelmusik, die nun folgte, sollte noch Vielen in Erinnerung bleiben. Fugen des alten, zeitlosen Meisters Bach waren für Alexis nichts Neues. Erstens gehörten sie zum Handwerkszeug jedes Organisten und zweitens liebte Alexis die Musik dieser Zeit. Diese Opulenz, Verschwendung und Leidenschaft, die diese gesamte Epoche ausgemacht hatte.
    Ein besonderes Stück Bachs sollte heute analysiert werden und Giles schlug vor, dass Alexis es doch ihnen alle vortragen könnte. Sicherlich nicht ohne Hintergedanken, alle wollten sein Können testen und waren gespannt auf seinen Stil. Selbst Professor Stevens ließ die Studenten ihren kleinen Wettbewerb ausfechten und war wohl selbst nur allzu gespannt darauf Alexis spielen zu hören.
    Dieser musterte seinen härtesten Konkurrenten, wenn er denn Valeries Aussagen Glauben schenken wollte. Giles grinste ihm nur zu und zog eine Augenbraue nach oben. Nun, sie waren alle neugierig, das konnte Alexis verstehen.
    Er ging auf die Herausforderung ein. Die Noten, die man ihm zum Spielen vorlegte - es war die Fantasie und Fuge in g-moll von Bach - schob er auf die Seite. »Ich kann es auswendig«, meinte er beiläufig. Ein Raunen ging durch die sieben Kommilitonen und selbst Professor Stevens schien überrascht. Die Fuge galt schließlich als eine der schwersten von Bach. Es war schon ziemlich selbstbewusst, fast schon arrogant, wenn man es sich zutraute solch ein Stück einfach so aus dem Stegreif auswendig zu spielen.
    Alexis sammelte sich einige Momente. Es war als ob er die Melodie des Stückes ganz klar hörte. Seine Finger zuckten schon als ob er die ersten Töne spielen würde, obwohl er die Tasten noch nicht berührt hatte.
    Wie stets, nahm er nicht mehr wahr, was um ihn herum geschah, wenn er spielte. Es gab für ihn nur noch das Instrument, über das er – und nur er allein - bestimmte. Alexis fand, dass dies
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