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Holy Shit

Holy Shit

Titel: Holy Shit
Autoren: Rolf-Bernhard Essig
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vermieden wird, ein harmloses Kinderwort, das aus dem lateinischen »podex« für »Hinterteil« entstanden ist. In Polen kommt derselbe Ausdruck vor: »Siadaj na cztery litery«, aber die vier Buchstaben, auf die man sich setzen soll, lauten »dupa«, und das bedeutet »Arsch«. Auch »kiep«, was ursprünglich eine obszöne Bezeichnung des weiblichen Genitals war, kann mit dem Ausdruck»vier Buchstaben« umschrieben werden, hat allerdings seine Bedeutung und Drastik inzwischen verloren. Heute wirkt »kiep« eher harmlos und bezeichnet einen »Trottel«. Im Spanischen beschimpft man mit »cuatro letras« Frauen als »puta«, also »Hure« (witzigerweise auch ein Wort mit vier Buchstaben). Im chilenischen Spanisch dagegen hat sich im Slang der Ausdruck »el cuatro letras« für »Penis, Schwanz« durchgesetzt, der eine allerliebste Menge an Viererumschreibungen hat: »pico«, »palo«, »mazo«, »pito«, »walo«, »ñaño«, »copi«, »nepe«, »niño«, »falo«.
    Die alten Römer waren noch sparsamer, denn sie schimpften mit dem Ausdruck »Es vir trium litterarum«, was bedeutet: »Du bist ein Mann der drei Buchstaben«. Nun hat »vir«, also »Mann«, im Lateinischen auch drei Buchstaben, aber gemeint war »fur«, was »Räuber« bedeutete, »Dieb« und »Halunke«.
    Dass in vielen Sprachen solche kurzen Drei- oder Vierbuchstabenwörter im Bereich des Schimpfens vorkommen, hat wohl einen einfachen Grund: Sie sind kurz, knallhart, kraftvoll. Kein Drumherumgerede, kein Umweg, keine Komplikation, einfach, direkt, derb.

Vier Hochzeiten und ein Todesfall – andere Länder, andere Filme
    Das Lippenlesen in den USA scheint weit verbreitet zu sein, denn anders lässt es sich kaum erklären, dass viele Szenen des Films Vier Hochzeiten und ein Todesfall (Großbritannien 1993) zweimal gedreht werden mussten. Nicht selten geschieht den Figuren im Film, allen voran dem notorischen Zuspätkommer, gespielt von Hugh Grant, das eine oder andere Missgeschick, das sie dann mit einem herzhaften »Fuck!« kommentieren. Zu ordinär für eine Altersfreigabe unter 16in den USA. Zwar hätte man eigentlich bloß nachsynchronisieren müssen, doch in diesem Fall hätten aufmerksame Zuschauer bemerkt, dass die Schauspieler »Fuck!« oder ähnliche Ausdrücke sagen und nicht »Blimey!« (»Verdammt!«) oder »Crumbs!« (»Herrje!«). Diese harmlosen Wörter ersetzten also in den Zweitszenen die Fourletterwords. Klar, dass Drehbuchautor Richard Curtis und Regisseur Mike Newell, wie sie in ihrem Buch zum Film schrieben, weidlich fluchten über die Mehrarbeit. Sie verteuerte den Film um circa 20 Prozent und verlängerte die Dreharbeiten auf ein halbes Jahr.
    PS Die Doppelversion von Filmen – einmal europäisch frech, einmal amerikanisch zahm – ist nichts Ungewöhnliches, wie erst vor kurzem The King’s Speech bewies: Dieses Beispiel erscheint umso kurioser, als der lustvolle Gebrauch von Tabuworten hier ja gerade Teil der Therapie gegen das Stottern ist. Dass sie der Vater Königin Elisabeths II. ausstößt, konnte den Amerikanern aber offenbar nicht zugemutet werden.

16.

Schöner Fluchen

Und jetzt am Ende? Noch ein kräftiger Fluch? Nein, lieber eine kurze Anregung und die Weitergabe des Stabs an Sie, liebe Leserinnen und Leser. Schließlich steht fest: Fluchen war schon immer eine Sache des Volkes. Selbst wenn Künstler, Gebildete und Prominente öffentlich fluchen, suchen sie damit fast immer Volknähe. Etwas Ursprüngliches, Volkstümliches haftet dem Fluchen an, vielleicht sogar etwas Erdverbundenes, jedenfalls finden wir in den derben, unverblümten Worten immer viel Wahres. In Dialekt und Umgangssprache offenbaren sich kindliche Schamlosigkeit, Spielfreude und sprachliche Subversivität mit einer fröhlich anarchischen Offenheit. Das zeigt sich nicht zuletzt in vielen Liedern, Abzählversen, Kinderreimen, Parodien, Sprüchen und Spottversen, die sich in einer »Stillen Post«-Methode von Generation zu Generation tradieren, dabei oft aktualisiert oder variiert werden.
    1967 machte Peter Rühmkorf eine breitere Öffentlichkeit mit dem Phänomen bekannt in seinem anregenden Buch »Über das Volksvermögen. Exkurse in den literarischen Untergrund«, das zahlreiche Beispiele kreativer, origineller Umdichtungen und Neuschöpfungen durch Volkes Mund präsentierte. Die hatte er auf Spiel- und Rummelplätzen, auf Straßen und in Kneipen gesammelt. Hier liest man dann solch amüsante Verse wie:
    Ich weet’n Witz
    Mien Mudder hätt’n
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