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Holunderküsschen (German Edition)

Holunderküsschen (German Edition)

Titel: Holunderküsschen (German Edition)
Autoren: Martina Gercke
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mich leicht und beschwingt. Auf dem Weg in mein Abteil klemme ich mir meine Handtasche fest unter den Arm. Ich recke heroisch das Kinn und versuche das letzte bisschen Würde zu wahren, das mir noch geblieben ist. Ein paar Leute lächeln mich an und gehen dann Kopf schüttelnd weiter. Ich lächle einfach zurück. Na also, geht doch. Ich bin ein wenig stolz auf mich. Was hat Katja vorhin am Telefon gesagt? Man müsse nur pos i tiv denken, alles andere ergäbe sich von selbst. Deshalb fahre ich auch erster Klasse nach Ha m burg. Ich habe zwar nicht genau verstanden warum, aber der Bahnangestellte am Schalter b e hauptete, dass der Spartarif der ersten Klasse billiger sei als der Normaltarif der zweiten Klasse. Meine Mutter hat meinte immer, man solle nehmen, was man kriegen kann . A lso habe ich den Mann nicht länger mit Fragen belästigt und gezahlt. Wenigstens begehe ich meinen Abgang aus Freiburg mit Stil.
    Ich gerate ein bisschen aus dem Gleichgewicht, als ich versuche, die Schiebetür zwischen den Wagons zu öffnen. Mein Abteil habe ich immer noch nicht gefunden. Ich versuche erneut die Nummer auf dem Ticket zu erkennen, das ich in meiner Hand krampfhaft festhalte. Warum we r den die wichtigen Dinge immer so klein gedruckt? Ich kneife meine Augen zusammen, um die Zahl zu entziffern, die unter der Reservierung steht. Alles verschwimmt zu einem Buchstabe n brei.
    Ein Mann drängelt sich an mir vorbei. Für einen Moment passe ich nicht auf und das Ticket gleitet mir aus der Hand. Ich will mich danach bücken, verliere bei der Aktion aber fast das Gleichgewicht. Leicht schwindlig und etwas unsicher auf den Beinen stütze ich mich an der g e genüberliegenden Wand ab. Vielleicht war der letzte Wodka doch schlecht? Der Mann bleibt stehen und bückt sich nach meinem Ticket. Als er es mir reicht, starrt er mich an.
    Ein typischer Student. Outfit: Jeans, ausgewaschenes T-Shirt und Chucks. Er hat dunkle Augen, Bartstoppeln und auf seiner Stirn sind tiefe Sorgenfalten. Als er mich ansieht, lächeln seine Augen belustigt. Er sieht gut aus. Verdammt gut, um ehrlich zu sein.
    „Danke“, murmele ich und streiche mir betont lässig eine Strähne aus dem Gesicht. Mein Hormonhaushalt ist in heller Aufregung.
    Er starrt noch immer.
    „Hi. Ähm ...“
    „Ja?“ Er lächelt und ich könnte in seinen feuchtbraunen Augen versinken.
    „Warum starren Sie mich so an?“
    „Verzeihung ... aber ...“ Sein Grinsen wird noch breiter, soweit das überhaupt möglich ist. „Ihre Bluse ...“ Er deutet mit dem Finger auf meinen Ausschnitt. Ich schaue an mir herunter und erstarre augenblicklich. Irgendwie müssen mir unterwegs die Knöpfe aufgegangen sein . Drei Knöpfe weiter als sonst guckt mein BH raus. Mein uralter verwaschener Hello Kitty-BH, den ich unbedingt haben musste, auch wenn ich mit Ende zwanzig eigentlich schon viel zu alt dafür bin . A ber ich stehe nun mal auf Hello Kitty. Ich habe auch einen Hello Kitty-Anhänger für mein Ha n dy. Einen mit Glitzersteinen. Ein Laster muss der Mensch doch haben dürfen. Jetzt, in diesem Moment, ist es mir allerdings peinlich.
    „Danke“, murmele ich und knöpfe mir mit zittrigen Fingern und vor Scham brennendem Gesicht die Bluse zu.
    „Ist wohl nicht Ihr Tag heute?“ Er hat eine leicht raue Stimme. Klingt irgendwie sexy.
    Ich versuche, ein Lächeln zustande zu bringen. „Nein, ich hatte schon bessere. Viel bessere, wenn Sie wissen, was ich meine.“
    Er nickt verständnisvoll.
    „Trotzdem noch mal: Danke!“ Ich habe ein wenig Probleme, meine Worte klar zu formuli e ren . U nd obwohl ich sie in meinem Kopf ganz deutlich hören kann, kommt aus meinem Mund  ein undeutlicher Brei an Wörtern , der mit denen in meinem Kopf nicht mehr viel gemein hat.
    Er sieht auf meine Reservierungskarte. „Darf ich mal?“
    Ich reiche sie ihm wortlos, immer noch um Gleichgewicht bemüht. Der Typ ist total süß. Er schweigt, während er meine Sitzplatzreservierung überprüft.
    „Das nenne ich einen Zufall.“ Er reicht mir meine Karte. Da ist es wieder dieses freche Grinsen auf seinem Gesicht.
    „Was?“
    „Wir sind im gleichen Schlafwagen ... äh genauer gesagt teilen wir uns das gleiche Abteil.“
    „Echt?“ Ich kann mein Glück kaum fassen. Das letzte Mal, als ich mein Zimmer mit jemand anderem teilen musste, war ich im Krankenhaus und bekam meinen Blinddarm herausoperiert. Meine Zimmernachbarin war damals eine hysterische Mittdreißigerin, die am Knie operiert wo r den war. Davon
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