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Holunderküsschen (German Edition)

Holunderküsschen (German Edition)

Titel: Holunderküsschen (German Edition)
Autoren: Martina Gercke
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eben immer die richtigen Worte zur richtigen Zeit. Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich versucht ihr Angebot anzunehmen.
    „Oh! Ähm ... nein.“
    „Du hast doch nicht etwa Mitleid mit dem Arsch?“ Warum ist Katja nur immer so misstra u isch .
    „Nein, natürlich nicht“, schniefe ich und wische mir anschließend mit dem Hemdsärmel über die Nase. Ich sehe ganz grauenvoll aus. Eine rote Nase so groß wie eine Kartoffel, ve r schmiertes Make-up und Augen, die so klein und zugeschwollen sind, dass man sie nur erkennt, wenn man genau hinsieht. Ich gebe dem Barkeeper ein Zeichen.
    „Julia? Wo steckst du eigentlich?“ Sie ist zu diesem mütterlichen Ton übergewechselt, den sie immer dann bekommt, wenn sie sich Sorgen um mich macht.
    „Im Dusk till Dawn “, schluchze ich und nehme den zweiten Drink entgegen, den mir der Barkeeper reicht.
    „Ach du meine Güte! Dir muss es ja echt dreckig gehen, wenn du in dem Schuppen gela n det bist.“ Ich kann förmlich hören, wie sich Katja am anderen Ende der Leitung schubbert.
    „Und, was hast du jetzt vor?“, bohrt Katja weiter. „Du kannst ja schließlich nicht die ganze Nacht da sitzen bleiben und hoffen, dass alles wieder gut wird.“
    „Wenn du gesehen hättest, was ich gesehen habe, würdest du an meiner Stelle auch hier si t zen und dich betrinken“, sage ich bestimmt und genehmige mir noch einen Kurzen, den mir der Barkeeper in weiser Voraussicht reicht.
    „Julia, jetzt sei doch mal vernünftig. Du musst doch irgendwo unterkommen, du kannst ja schließlich nicht die ganze Nacht im Dusk till Dawn verbringen.“
    Warum eigentlich nicht? Ich blinzele, als mir der Typ neben mir seinen Rauch ins Gesicht bläst und mir dabei verheißungsvoll zuzwinkert. Vielleicht lieber doch nicht!?
    „Ich gehe auf keinen Fall zurück in Johanns Wohnung“, beharre ich und versuche dem Z i garettenrauch zu entkommen, indem ich meinen Kopf zur Seite drehe.
    „Du könntest ins Hotel gehen. Und wenn du morgen wieder nüchtern bist, sieht die Welt schon ganz anders aus. Und außerdem kannst du dich in Ruhe nach einem neuen Job umsehen und die ganze Sache mit Johann klären.“
    „Hilfeeee“, schrillt es in meinem Kopf. „Glaubst du, dass die mich bei Hartmann & Sohn rausschmeißen?“
    „Was hast du denn gedacht? Johann wird auf keinen Fall wollen, dass du noch weiter in der Firma seines Vaters arbeitest.“
    Was ich jetzt brauche, ist mehr Alkohol und den am besten intravenös. Ich gebe dem Ba r keeper ein Zeichen. Der Mann ist wirklich aufmerksam, denn keine Minute später steht ein volles Glas vor mir. Das Leben ist wirklich ungerecht. Titten-Annette hat den besseren Job und b e kommt jetzt als Dreingabe noch meinen Johann dazu.
    „Julia?“
    „Ja, ähm.“ Ich nehme einen kräftigen Schluck.
    „Sag mal, trinkst du schon wieder? Wie viel hast du eigentlich schon intus?“
    „Wieso?“
    „Weil du irgendwie komisch klingst. Du, ich mache mir jetzt wirklich Sorgen.“ Katja wird bestimmt mal eine tolle Mutter. Ich sehe sie förmlich vor mir stehen, umringt von einer Schar Kinder, die artig miteinander spielen und immer „Bitte!“ und „Danke!“ sagen, wenn Katja ihnen etwas sagt.
    „Ach was!“, winke ich ab. „Hier ist alles unter Kontrolle.“ Ich stelle mein Glas auf den Tr e sen, dabei – ups – rutsche ich von meinem Stuhl und das Glas geht klirrend zu Boden. Hastig rappele ich mich wieder auf.
    „Julia? Juliaaaaa?“ Katjas Stimme schrillt durchs Telefon.
    „Ja, ja, alles okay“, versuche ich meine Freundin zu beruhigen. „Ich bin aus Versehen vom Stuhl abgerutscht.“ Ich streiche meinen Rock glatt.
    „Soso, aus Versehen. Komisch, dass dir das sonst nicht passiert. Ich finde, du solltest lan g sam Schluss machen und nach Hause gehen.“ Sie macht eine Pause, die ich nutze, um mich wi e der auf den Hocker zu setzen und dem Barkeeper ein Zeichen zum Nachschenken zu geben. „Ich habe eine Idee. Du gehst jetzt zu deinen Eltern, pennst dich mal richtig aus und dann setzt du dich morgen in den Zug und kommst mich in Hamburg besuchen. Ich könnte mir die Woche frei ne h men und mich um dich kümmern.“
    Von so viel Freundschaft bin ich derart gerührt, dass mir die Tränen erneut in die Augen steigen. „Dubisteinfachzugutzumir“, nuschle ich in den Hörer. „EinewahreFreundin und isch hab disch gaaanz doll lieb.“
    „Prima. Dann hör wenigstens einmal auf mich und geh nach Hause“, sagt Katja bestimmt.
    Ich seufze leise und lächle meinen
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