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Holunderküsschen (German Edition)

Holunderküsschen (German Edition)

Titel: Holunderküsschen (German Edition)
Autoren: Martina Gercke
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abgesehen, dass sie die Schwestern wie Menschen zweiter Klasse behandelte, hing sie ständig an ihrem Telefon und führte lautstarke Gespräche mit ihren Geschäftspartnern, was mich wiederum von meinem Schlaf abhielt. Auf meine Bitte, ihre Geschäftsgespräche doch bitte nach draußen oder auf später zu verlegen, antwortete sie schnippisch: Es könne sich schlie ß lich nicht jeder einfach so faul ins Bett legen wie ich . So war es eine Minute des Triumphes, als die Schwester am Morgen des zweiten Tages gut gelaunt neben ihrem Bett auftauchte, um ihr die Drainage aus dem Kniegelenk zu ziehen.
    „Wenn ich jetzt sage, husten Sie“, forderte sie die Mittdreißigerin auf und zwinkerte mir d a bei zu.
    Von meiner Position aus würde ich behaupten, dass um den Mund der Schwester ein ger a dezu sadistisches Lächeln spielte, als sie den Schlauch mit einem Ruck aus dem Gelenk zog. Das verblüffte Gesicht der Managerin und den darauffolgenden Schrei werde ich nie vergessen. G e folgt von Tränen und einer wohltuenden Schweigsamkeit, die bis zu ihrer Entlassung am näch s ten Morgen anhielt. Der kleine Zwischenfall hat allerdings auch bei mir S puren hinterlassen: Er s tens werde ich mich niemals an meinem Knie operieren lassen und zweitens vermeide ich es mir ein Zimmer mit Fremden zu teilen.
    Er lächelt mich verschwörerisch an. „Kommen Sie, ich führe Sie dorthin.“ Er wirft einen Blick hinter meinen Rücken. Ich sehe ihn irritiert an. „Haben sie denn kein Gepäck?“
    „Meine Abreise war sehr plötzlich“, nuschele ich und ringe mir ein Lächeln ab. Mein Gott, der Typ hat genau die Augen, weshalb ich mich während meines Studiums für einen Italienisc h kurs an gemeldet habe.
    Er nickt : „Verstehe.“
    Er führt mich in den hinteren Teil des Waggons und zeigt auf eine Schiebetür : „Hier ist es.“ Er öffnet die Tür.
    Der Raum ist zwar nicht besonders groß, aber besser als ich die Schlafkabinen der Bahn in Erinnerung habe. Das Stockbett bietet genügend Platz und ich entdecke sogar eine kleine Wasc h gelegenheit mit Spiegel. Die gesamte Einrichtung ist in hellen Farben gehalten.
    Alles dreht sich in meinem Kopf und der Boden unter meinen Füßen schwankt. Das muss die Bahn wirklich noch in den Griff kriegen, denke ich. Man fühlt sich ja wie auf einem Schiff.
    „Der Lokführer fährt ja wie ein Henker“, gebe ich von mir und lasse mich in den einzigen vorhandenen Stuhl fallen. 
    Der Typ zieht überrascht die Augenbrauen nach oben. „Fahren?“ Er sieht aus dem Fenster. „Wir stehen noch immer.“
    Ups! „Da hab ich mich wohl geirrt“, kichere ich verlegen. Er nickt. Hat er mir schon seinen Namen gesagt? „Wenn wir schon miteinander schlafen, können wir uns doch wenigstens unsere Namen verraten. Finden Sie nicht?“, sage ich kokett und im selben Moment wird mir bewusst wie es in seinen Ohren geklungen haben muss. Meine Wangen fühlen sich an, als wäre ein Bu n senbrenner direkt darauf gerichtet. Er hat es auch gemerkt, jedenfalls sieht er mich ein wenig b e lustigt, aber auch irritiert an.
    „Ähm, ich meine natürlich ...“, stottere ich etwas unbeholfen, „... wenn wir schon gemei n sam die Nacht in diesem Schlafwagen verbringen . “ Ich wende meinen Blick ab und tue so, als würde ich etwas Wichtiges in meiner Handtasche suche n .
    Er räuspert sich. „Ich heiße Benjamin ...“
    „... Blümchen“, pruste ich los und schütte mich aus vor Lachen. „Törröööö!“, setze ich noch einen drauf.
    Er verzieht keine Miene während er zu mir herüber sieht. Dem Mann fehlt definitiv eine Portion Humor. Er nimmt seinen Koffer und stellt ihn in der anderen Ecke der Schlafkabine ab.
    „Ach komm schon, Benni“, flöte ich, „das war doch nur ein Scherz. Ich heiße Julia.“ Ich reiche ihm betont lasziv die Hand und winke mit meinen Fingern.
    „Freut mich.“ Er erwidert meinen Händedruck und wieder spielt ein Lächeln um seinen Mund. Sicherheitshalber sehe ich nach unten, aber meine Bluse ist noch immer brav zugeknöpft.
    „So, jetzt, da wir das hinter uns gebracht haben“, fange ich an, „was hältst du davon, wenn ich uns noch etwas zu trinken organisiere. Hier drinnen ist es furchtbar stickig und ich habe das Gefühl zu verdursten.“ Ich fächle mir zur Bekräftigung meiner Worte mit der Handtasche Luft zu. Klong! Mein Handy fällt zu Boden. Ich bücke mich und will es aufheben. Benni scheint das Gleiche vorgehabt zu haben, jedenfalls stoßen wir mit den Köpfen aneinander.
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