Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition)
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
gesagt hatte, er sei ein Psychopath, so gefährlich wie ein Löffel voll Nitroglyzerin in zittrigen Händen.
    «Willste mich nicht reinlassen?», fragte er.
    Wieder wollte sie nicken und schaffte es nicht.
    Da schob er sie langsam von der Tür zurück. Er musste sie nicht einmal anfassen, dirigierte sie mit den Augen so weit rückwärts in die Diele hinein, dass er ihr folgen und die Tür hinter sich schließen konnte. Es funktionierte also immer noch.
    Sein Grinsen wirkte sehr zufrieden, als er den Blick von ihrem Gesicht löste. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Haustür und ließ die Augen umherwandern. Zwei Zimmertüren und die Küchentür standen offen. Er konnte in die einzelnen Räume sehen. Das Wohnzimmer mit dem offenen Kamin und wie das Esszimmer in mediterranem Stil, die Küche rustikal und mit allen technischen Finessen ausgestattet. Das gesamte Haus war gediegen und nicht eben billig eingerichtet.
    Eddi legte großen Wert auf eine gepflegte, häusliche Atmosphäre. Er legte vor allem Wert auf die äußerliche Ordnung, das wusste sie seit langem. Jedes Ding an seinem Platz und nirgendwo ein Fleck oder ein Stäubchen. In dieser Hinsicht war Eddi beinahe pedantisch. Wahrscheinlich musste er das sein in seinem Beruf, wo er sich täglich mit zerbrochenen Seelen, dem Dreck und den Flecken im Leben anderer Leute befasste.
    Doch daran dachte sie nicht in diesem Augenblick. Sie dachte eigentlich gar nicht, sah nur die locker von seiner Schulter baumelnde Jacke, das schwarze Hemd, das schmale, blasse Gesicht mit dem dunklen Bartschatten.
    Sein Blick glitt immer noch zwischen den offenen Türen hin und her, streifte den Treppenaufgang zum Obergeschoss. Was er sah, schien ihm zu gefallen. Oder auch nicht! Er zog die Augenbrauen hoch und die Stirn in Falten, wiegte den Kopf und verzog die Lippen. Ob anerkennend, geringschätzig oder verletzt bis ins Mark, wagte sie nicht zu beurteilen.
    «Wirklich nicht übel, die Bude», murmelte er und zeigte dabei einmal rund durch die Diele. Dann schaute er wieder sie an.
    «Sieht aus, als hättest du das große Los gezogen, Püppi. Tja, ein gutes Angebot schlägt man nicht aus, was? Oder ist dir einfach die Zeit zu lang geworden? Wann hattest du denn keine Lust mehr, noch länger auf mich zu warten?»
    Da sie ihm nicht antwortete, auch sonst in keiner Weise auf seine Fragen reagierte, zuckte er mit den Achseln. Es wirkte resignierend. Damals war er nicht der Typ gewesen, der vor irgendetwas resigniert oder gar kapituliert hätte. Das hatte sie gewusst – früher. Jetzt wusste sie gar nichts, konnte immer noch nicht denken, nicht einmal dass die Jahre hinter Gittern ihn verändert haben könnten.
    «Na ja.» Auch in seiner Stimme schwang ein Hauch von Resignation mit. Er seufzte und lächelte sie so wehmütig an wie damals. «War ’ne verdammt lange Zeit. Hätt’ ich selbst nicht gedacht, dass sieben Jahre so lang sein können. Manchmal bin ich fast verrückt geworden. Ich hab dich so vermisst, Püppi.»
    Sie fühlte ihr Herz unverändert flattern und gleichzeitig den stählernen Ring um die Brust, der es zusammenpresste, spürte die Wärme in der Magengrube wie Übelkeit und die weichen, schwammartigen Gebilde, die vor wenigen Minuten noch stabile Kniegelenke gewesen waren. Ihr Blut rauschte in den Ohren. Von dem, was er gesagt hatte, hatte sie kaum ein Wort verstanden.
    «Hallo, Heiko», stammelte sie endlich und machte den ersten, winzigen, unsicheren Schritt auf ihn zu.

    In den beiden Jahren, in denen Eddi für sie noch ausschließlich Ed gewesen war, vielmehr Doktor Bracht, der Therapeut, der ihr zurück ins Leben half, hatte er ihr wiederholt erklärt, warum sie sich ausgerechnet in einen Mann wie Heiko Schramm verliebt hatte. Und mehrfach hatte Ed betont, es sei nicht seine Aufgabe, einen Menschen für sein Tun und Lassen zu verurteilen, dass ihn deshalb auch nicht vordergründig interessiere, was ein Mensch getan hatte. Für ihn zählten vielmehr die Gründe. Weil man eine Wiederholung vermeiden oder ihr zumindest vorbeugen könne, wenn man das Warum kannte. Und in ihrem Fall war das für ihn offensichtlich gewesen.
    Begonnen bei ihrer maßlosen Enttäuschung an all den Sonntagen, wenn sie daheim sitzen musste. Bestraft für etwas, das gar nicht sie selbst verbrochen hatte, sondern ihre Schwester. Und es war nicht mal ein Verbrechen gewesen, nur ein Baby, das Dorothea von einem Mann bekam, mit dem man viel Spaß haben konnte, den man aber nicht heiraten sollte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher