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Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition)
Autoren: Petra Hammesfahr
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konnte. Von ihm selbst war nie etwas zu sehen. Sie hörte nur das Rascheln der Blätter, wenn er sich bewegte.
    Mit siebzehn wusste sie selbstverständlich, was der schwarze Mann tatsächlich mit den kleinen Mädchen machte, wenn er sie vernaschte. Und sie stellte sich vor, er sei nur ihretwegen gekommen. Dass er sie nun lange genug durchs Fenster beobachtet hatte und sie unbedingt haben wollte – am besten noch heute Abend. Sie wusste ja nicht, wann sie das nächste Mal mit in die Disco genommen wurde.
    Während sie sich in erotischen Illusionen verlor, wurde Heiko von einem schmächtigen jungen Mann angesprochen, der aussah, als sei er krank. Ihr wurde gar nicht richtig bewusst, dass sie angestrengt lauschte, um etwas vom Gespräch der beiden aufzuschnappen. Einfach war das nicht beim Wummern der Bässe, sie musste einen Großteil der Worte von Heikos Lippen ablesen. Dass sie dabei die Augen nicht von seinem Gesicht abwenden konnte, fiel ihr gar nicht auf.
    Als sie begriff, worüber die beiden verhandelten, erschrak sie zwar, spürte aber gleichzeitig eine morbide Neugier und Faszination. Es ging um Stoff, um erstklassigen Stoff, und den Preis, den Heiko dafür haben wollte.
    Ein Dealer! Vor denen warnte Dorothea sie jedes Mal, wenn sie ihr einen Samstagabend in Freiheit verschaffte. «Lass dich bloß nicht von irgendwem überreden, eine Pille zu schlucken oder etwas anderes zu probieren. Wenn du high bist, Patty, war das dein vorerst letzter Discoabend. Und pass auf dein Getränk auf, lass es nicht unbeobachtet herumstehen.»
    Deshalb kaufte sie sich nur etwas zu trinken, wenn sie richtig durstig war, trank das Glas hastig leer und gab es zurück.
    Noch während ihr die Warnungen ihrer Schwester durchs Hirn schwirrten, streifte Heiko sie mit einem Blick, in dem so viel Sicherheit lag, so viel Überlegenheit und ein winziges Lächeln. Er war nicht aufgebracht, als er bemerkte, wie aufmerksam sie seine Unterhaltung verfolgte, im Gegenteil, es schien ihn zu amüsieren.
    Dann verschwand er zusammen mit dem Schmächtigen in Richtung der Toiletten. Sie schaute ihnen nach, bis beide im Gewühl untertauchten, und wusste nicht, ob sie enttäuscht oder erleichtert sein sollte.

    Es dauerte nicht einmal zehn Minuten, dann war Heiko wieder neben ihr. Allein diesmal. Er sprach sie sofort an, lächelte dabei, ganz sanft, beinahe zärtlich, als wolle er verhindern, dass sie Angst bekam. «Das ist aber gar nicht gesund, wenn man so neugierig ist. Stell dir nur mal vor, es hätte mir nicht gefallen, dass du aufpasst wie ein Schießhund. Was meinst du, was da so alles passieren könnte?»
    Sein Blick verursachte Schauer auf ihrer Haut, fast ein Frieren, aber es war nicht unangenehm. Sie zuckte mit den Achseln gegen das Herzklopfen an und schluckte tapfer den dicken Brocken hinunter, der ihre Kehle blockierte, von dem sie nicht wusste, ob er aus Furcht oder aus Verlangen bestand.
    Und dabei empfand sie es zum ersten Mal, dieses Zittern im Innern. Dieses sonderbare Gefühl, das sie ganz schwer machte und lahm, so als ob sie nicht mehr lange auf ihren eigenen Beinen stehen könnte. Alles in ihr drängte danach, sich fallen zu lassen – mitten in seine Arme.
    Er rief einer jungen Frau hinter dem Bartresen zu: «Reich mal was rüber, Gerda!» Dann fragte er sie: «Du trinkst doch ein Glas mit mir, oder? Vielleicht hast du ja eben nicht alles verstanden. Ich meine, wenn du noch Fragen hast, frag nur. Wenn nicht, können wir uns auch über irgendwas anderes unterhalten.»
    Als sie zögernd nickte, fragte er: «Was trinkste denn?»
    Eigentlich nur Limonade oder Saft, aber das wäre in diesem Augenblick so gewesen, als hätte sie sich mit eigener Hand den Stempel «minderjährig» auf die Stirn gedrückt.
    Als sie erneut mit den Achseln zuckte, lachte er und rief zu der Frau hinüber: «Eine Strawberry Margarita und ein Bier, aber übertreib’s nicht mit dem Tequila.» Und etwas leiser, fast wie zu sich selbst: «Wir wollen doch keine Kinder besoffen machen. Wir wollen nur, dass sie zufrieden und glücklich sind. Und wir mögen es gar nicht, wenn sie einen falschen Eindruck von uns bekommen und am Ende noch denken, wir wären richtig böse Jungs.»
    Warum er plötzlich im Plural sprach, begriff sie nicht, aber das war ihr auch egal. Sie warf den Kopf in den Nacken. Das taube Gefühl in den Gliedern verschwand allmählich wieder.
    «Denke ich gar nicht», erklärte sie. «Mir ist das egal, womit du dein Geld verdienst, ehrlich. Niemand
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