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Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition)
Autoren: Petra Hammesfahr
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wird gezwungen, sich Koks oder Ecstasy zu kaufen. Das kann jeder frei entscheiden. Wer meint, er braucht unbedingt so ’n Zeug, ist doch selber schuld. Ich brauche das nicht. Ich kann auch ohne Stoff träumen.»
    Er grinste spöttisch, mit dieser Stärke und der Überlegenheit im Blick, die ihr sofort aufgefallen waren. Dann nahm er die beiden Gläser von der Bar und reichte ihr die Margarita. «Wie schön für dich», sagte er. «Das können nicht viele.»
    Später an dem Abend, als es längst unwichtig geworden war, dass sie ihn bei seinen Geschäften belauscht hatte, fragte er sie nach ihren Träumen, und sie erzählte ihm davon.
    Es waren Träume aus Stein: grün und rot und blau, weiß mit leicht gelblichem Schimmer oder klar und funkelnd wie ein Wassertropfen in der Sonne. Träume, in denen sich das Licht brach. Und wenn man sie in die Hand nahm, was sie an ihrem Ausbildungsplatz häufig tun musste, hielt man eine versunkene Welt. Verschwundene Wälder, von Jahrmillionen zusammengepresst.
    Das faszinierte sie, nur das, nicht der Preis, den man für einen Smaragd oder Rubin bezahlen musste, der groß genug war, dass man ihn auch richtig in der Hand fühlte. Doch das mochte sie nicht zugeben, nicht vor ihm, deshalb sprach sie auch von den Preisen. Vielleicht wollte sie ihm nur imponieren.
    Aber das konnte er nicht zulassen. Er war der Meister. Er verkaufte die richtig bunten und billigen Träume, die sich jeder leisten konnte. Und er trug einen Zauberstab in der Hose, der kleine Mädchen atemlos machte, ihnen Herzklopfen und einen vibrierenden Magen bescherte. Beim Tanzen zog er sie so fest an sich, dass sie seine Erektion deutlich spürte. Es machte sie verlegen. Er lächelte, als ihm das auffiel. In seinen Augen spiegelten sich der Nebel und die Lichter. Und dahinter war noch etwas, Magie, diese Wolke aus Watte und Feuer, von der sie nachts so oft träumte, in der sie gerne einmal wirklich versunken wäre.
    Er ließ den Blick nicht mehr von ihrem Gesicht, strich manchmal mit den Fingerspitzen über ihre Wangen oder zeichnete ihre Lippen nach und flüsterte ihr Dinge zu, die ihr vorher noch niemand gesagt hatte. Einmal nannte er sie ein vernünftiges Mädchen und sagte, wie sehr er es schätzte, wenn junge Mädchen vernünftig waren und nicht in der Gosse enden wollten, wenn sie genau wussten, was gut für sie war und was nicht.
    Später nannte er sie süß und kostbar, kostbarer als alle Glitzersteine dieser Welt zusammen. Etwas, das einem Mann wie ihm nur einmal im Leben begegnete, das er deshalb von der ersten Minute an hüten und schützen musste bis in alle Ewigkeit.
    Er wollte sie nach Hause fahren und war enttäuscht, als er hörte, dass sie in der WG ihrer Schwester übernachtete und mit zwei von Dorotheas Freundinnen gekommen war, die sie natürlich auch wieder mitnehmen würden. Daraufhin fragte er, wann und wo er sie wiedersehen könne.
    Auf ein Wiedersehen wollte sie ihn nicht wochenlang warten lassen, weil sie befürchtete, er könne in der Zeit eine andere finden, die ihm besser gefiel. Sie wusste auch nicht, welche Disco als nächste auf dem Plan stand. Ein Handy besaß sie nicht. Und beim nächsten Mal wäre Dorothea dabei, eine Vorstellung, die ihr nicht behagte. Deshalb sagte sie: «Wenn du Zeit und Lust hast, kannst du mich ja abends mal von der Arbeit abholen.»
    «Zeit habe ich in rauen Mengen», erwiderte er. «Über meine Lust müssen wir nicht reden, oder? Die hast du doch schon gefühlt.»
    Daraufhin nannte sie ihm die Adresse von Albert Retling, bei dem sie lernte, kostbare Steine in Gold, manchmal auch in Platin zu fassen. Ein unauffälliges Einfamilienhaus, wie es in der Straße mehrere gab. Von außen sah niemand, dass es eine kaum einnehmbare Festung war.
    Albert Retling war Goldschmied. Er belieferte Juweliere, erfüllte die oft ausgefallenen und immer sehr kostspieligen Wünsche gutbetuchter Kunden. Ein eigenes Juweliergeschäft führte er nicht, er brauchte keine Verkaufsräume und kein Schaufenster, nichts, was Passanten hätte aufmerksam machen können.
    Es gab nur die kleine Werkstatt im Keller, von außen nicht zu erreichen, von innen durch eine schwere Stahltür und eine moderne Alarmanlage gesichert, die auf ein gewaltsames Eindringen ins Haus reagierte.
    Den Ausbildungsplatz hatte ihr Vater ihr beschafft, er war ein guter Bekannter der Retlings. Als ihr klarwurde, dass damit für sie nun ein Risiko verbunden war, bat sie, Heiko möge doch lieber an der Bushaltestelle auf
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