Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Höllental: Psychothriller

Höllental: Psychothriller

Titel: Höllental: Psychothriller
Autoren: Andreas Winkelmann
Vom Netzwerk:
großer Höhe hinab, um den flüssigen Reichtum dieser Welt zu mehren. Stille gab es hier nicht, und wer die Zeichen nicht erkennen wollte, dem schrie das Wasser seine Warnung ins Gesicht: Du bist hier nur geduldet, und wenn es mir gefällt, dann spüle ich dich hinweg und spucke dich talabwärts als etwas wieder aus, das meiner mehr entspricht als einem Menschen.
    Roman erinnerte sich an die Klamm im Sommer, wenn es die hoch am Himmel stehende Sonne schaffte, ein paar Strahlen hier herunterzuschicken. Dann glitzerte und funkelte diese Welt, und in der Gischt spannten sich Regenbogen zwischen den Wänden wie Brücken. An Sommertagen hielt Roman sich gern unten in der Höllentalklamm auf, doch jetzt, im Winter, zudem am Abend, war dies ein unheimlicher und Angst einflößender Ort.
    Im Hintergrund röhrte der tragbare Dieselgenerator, der den Strom für die beiden Halogenscheinwerfer erzeugte. Ein geisterhafter Vorhang aus Schneeflocken trieb durchs Licht. Wie vorhergesagt hatte der Schneefall noch zugenommen, wenngleich hier unten in der Klamm nicht viel davon ankam. Dafür spürten sie quasi als Ausgleich vom Wind aber umso mehr. Es waren scharfe, eiskalte Fallwinde, die auf dem Rücken des Wassers durch die Schlucht ritten.
    Mit tauben Fingern band Roman Jäger das Ende des Sicherungsseils in einen Haken mit Karabiner ein, der sich schon seit Jahren in der Felswand in der Nähe des Beckens befand. Denn in diesem natürlichen Becken, das von den Bergrettern Stopselzieher genannt wurde, sammelten sich die Körper, die oberhalb der Eisernen Brücke in die Klamm stürzten. Hier gab es häufiger Einsätze mit Totenbergung.
    Roman kehrte mit dem Seil zu seinem Kollegen zurück. Hans Dachner hockte auf einem Felsblock am Rande des Beckens. Er trug einen schwarzen Trockentauchanzug ohne Helm und Brille. Zwar würde er nicht tauchen müssen, aber ohne den Anzug könnte er die Temperatur des Wassers keine zwei Minuten ertragen. Hans nahm ihm das Seil ab und sicherte sich mit einem Achterknoten an seinem Klettergurt ein. Er und Georg Lorenz, der ebenfalls einen Tauchanzug trug, hatten sich bereit erklärt, in den Hammersbach zu steigen, um die Leiche zu bergen.
    »Das wird auch mit Anzug verflucht kalt«, sagte Roman.
    Er selbst zitterte immer noch, trotz seiner wattierten, dichten Kleidung, trotz des heißen Tees, den er in der letzten halben Stunde becherweise getrunken hatte.
    Die Kälte, die ihn zittern ließ, kam von innen, da half kein Heißgetränk, und es würde noch eine Weile dauern, bis sie verschwand. Im Moment wurde sie sogar nur noch durchdringender, sobald er nur kurz die Augen schloss. Dann sah er sofort den Blick der jungen Frau, diese durchdringend blauen Augen, die Angst darin. Sie hatte sich vor ihm gefürchtet, so sehr, dass sie sich aus seinem Griff befreit hatte, und Roman verstand einfach nicht, warum.
    Es war zwei Stunden her, aber sein rechter Arm schmerzte immer noch bis hoch ins Schultergelenk. Anfangs war er sogar taub gewesen. Er ertappte sich immer wieder dabei, wie er die Hand zur Faust ballte, so als müsse er etwas festhalten.
    »Nur kurz rein und wieder raus, mehr ist nicht drin«, sagte Hans und riss ihn aus seinen Gedanken. »Ich suche ganz bestimmt nicht das Becken nach irgendwelchen persönlichen Gegenständen ab. Das kannst du dem Leitenbacher gleich sagen. Soll er doch seine eigenen Leute schicken.«
    Roman legte Hans eine Hand auf die Schulter. Der Neoprenanzug fühlte sich an wie eine Reptilienhaut. »Ich regele das, keine Bange.«
    Roman warf einen Blick aufs Wasser. Es staute sich an dieser Stelle, bevor es zwischen großen Blöcken hindurch über eine Kante floss und drei Meter in die Tiefe stürzte. Gut anderthalb Meter tief war das Becken und groß genug für einige Kehrwasser, und genau darin hatte sich unter einem Haufen angetriebenen Holzes die Leiche der jungen Frau verfangen. Vom Weg aus war nur ein Arm zu sehen, der im stark bewegten Wasser auf und ab trieb und ihnen in seinem violetten Jackenärmel zuzuwinken schien.
    Ein grauenhafter Anblick, der Roman erneut einen Schauer über den Rücken trieb. Eine so tiefe innerliche Kälte wie heute hatte er noch nie empfunden, selbst in jener Nacht nicht, als er in fünftausend Metern Höhe am Denali in der Alaska Range biwakiert hatte. Er zog sich die Wollmütze tiefer in die Stirn, bedeckte seine Ohren damit und stellte den Fleecekragen der Jacke höher.
    Mehrere Personen befanden sich auf dem schmalen Weg an dieser engen Stelle
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher