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Höllental: Psychothriller

Höllental: Psychothriller

Titel: Höllental: Psychothriller
Autoren: Andreas Winkelmann
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Ach nein, ich vergaß, sie hat sich Ihnen ja entwunden.«
    Roman spürte geradezu, wie es in seinem Kopf klick machte und eine bestimmte Schaltstelle den Weg freigab. Er kannte diesen Automatismus, diese kindische Reaktion auf Kritik oder Häme, die er einfach nicht im Zaum halten konnte. Mit den richtigen Worten konnte man in Sekundenschnelle Wut bei ihm auslösen.
    Er machte zwei schnelle Schritte auf den Oberkommissar zu, baute sich vor ihm auf, wollte die Arme heben, um ihn umzustoßen, spürte im selben Moment aber, wie ihn jemand zurückhielt. Es war Anton Schäffler, und Roman verstand erst viel später, dass sein Chef ihn vor einer riesengroßen Dummheit bewahrte.
    »Hör auf«, flüsterte Anton ihm zu. »Das lohnt nicht.«
    Leitenbacher stand einfach nur da und sah Roman an. Mit einem Blick, der alles und nichts ausdrückte, der gelangweilt, gleichgültig und abschätzend war. Er war zwei Köpfe kleiner als Roman und körperlich in wesentlich schlechterer Verfassung, zeigte aber keinerlei Furcht. In diesem Teil der Welt konnte ein Beamter sich noch auf die Autorität seines Titels verlassen. Noch.
    Roman fixierte ihn, suchte nach Worten, irgendwas Treffendes, vielleicht in Richtung der Wodkaflaschen, die Leitenbacher wöchentlich aus dem Supermarkt schleppte, doch ihm fiel auf die Schnelle nichts ein. Seine Wut blockierte ihn. Also wandte er sich schweigend ab und ging zu seinen Kollegen zurück. Ein Arschloch konnte er sich nicht verkneifen und war sicher, dass Leitenbacher es hörte. Doch der steckte es kommentarlos weg.
    »Die hängt fest«, rief Hans Dachner und zog damit die Aufmerksamkeit auf sich.
    Er stand bis zum Brustkorb in dem eiskalten, sprudelnden Wasser, hatte sich weit vorgebeugt und versuchte ohne Sicht, nur durch Tasten, die Leiche aus dem Treibgut zu befreien.
    »Ein Bein … Ich bekomme ihr Bein nicht frei.«
    »Was kann helfen?«, rief Anton ihm zu.
    »Eine Knochensäge«, sagte Tobias Schollerer leise und fing sich den giftigen Blick des Bergwachtchefs ein.
    »Eine Säge, ich brauche eine Fuchsschwanzsäge«, rief Hans ihnen tatsächlich zu.
    Roman lief zu dem Dieselgenerator. Daneben befand sich die Kiste mit der Ausrüstung. Er holte die handliche Säge heraus und lief zum Becken zurück. Georg nahm sie ihm ab und watete zu seinem Kollegen hinüber. Roman konnte sehen, wie er trotz des Tauchanzugs kurz die Luft anhielt und das Gesicht verzog. Vom Ufer aus konnte niemand hören, was die beiden besprachen. Schließlich beugte sich Georg ganz weit unter das Treibholz und begann zu sägen. Dabei geriet er immer wieder kurz unter Wasser, prustete und spie aus.
    Roman wurde unruhig. Er öffnete und schloss die Hände, trampelte von einem Bein aufs andere und wäre am liebsten selbst ins Wasser gegangen. Untätig zusehen zu müssen vertrug er nicht gut. Außerdem gaukelte seine Fantasie ihm vor, das klare Wasser des Beckens würde sich plötzlich rot verfärben und der abgesägte Arm der jungen Frau winkend zur Kante treiben, um sich dort am Felsgrat aufzustellen und mit einem letzten makabren Gruß zu verschwinden. Natürlich sägte Georg an einem Holzstück, nicht am Arm, das war Roman klar, aber seine Fantasie nutzte die Szene trotzdem gnadenlos aus.
    Anton filmte, Georg sägte, Hans zog, und plötzlich gab der Körper mit einem Ruck nach. Hans taumelte nach hinten, stolperte und verschwand kurz unter der Wasseroberfläche. Er kam sofort wieder hoch, spuckte Wasser aus und schüttelte den Kopf.
    Der Leichnam war frei. Die beiden Kollegen zogen ihn ans Ufer. Alle versammelten sich um den toten Körper.
    Die junge Frau lag auf dem Rücken. Sie trug keine Schuhe mehr, die Jacke war zerfetzt, hing nur noch an dem einen Ärmel, der Pullover darunter bis über die Brüste hochgeschoben. Das Haar klebte nass am Kopf und ließ ihren Schädel sehr schmal erscheinen. Ein Auge war geöffnet, das andere geschlossen. Die durch die extreme Kälte straff gespannte Gesichtshaut schimmerte bl äulich, an der Schläfe klaffte ein langer Riss, durch den geborstener Schädelknochen blitzte. Die Wunde blutete nicht mehr, war sauber ausgespült und deshalb grausam deutlich zu sehen. Die Nase war gebrochen, hing in einem schiefen Winkel zum Gesicht, außerdem fehlte ein Ohr. Fransige Hautlappen hingen dort, wo es abgerissen war. Die Klamm hatte ihr Opfer durch die Mangel gedreht. Sie kannte keine Gnade.
    Roman musste sich für einen Moment abwenden. Tobias ging in die Hocke, um sie sich genauer anzusehen. Den
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