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Hoellenprinz

Hoellenprinz

Titel: Hoellenprinz
Autoren: Zara Kavka
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vermeiden, wenn sie könnte.

5
    A ls Ela sich ihrem Haus näherte, sah sie schon von Weitem das Polizeiauto. Es stand vor dem Nachbargrundstück und sie versuchte krampfhaft, wegzuschauen und schnell in den geschützten Wänden ihres Zuhauses zu verschwinden. Doch kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, musste sie feststellen, dass sie sich hier auch nicht besser fühlte. Im Gegenteil. Die Stille legte sich wie ein Bleimantel auf ihre Schultern – unerträglich schwer, endgültig. Wie Blitze sausten die Bilder des Tages durch ihren Kopf: Daniels Augen, das Blut, der Pulli … Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Eingangstür und rutschte in die Hocke.
    Das reibende Geräusch ihrer Kleidung auf dem Holz hallte nach – dann Stille.
    Wie anders das Haus plötzlich wirkte. Als wäre es tot. Gestern war es noch voller Leben gewesen …
    Jonas’ Trompete bringt mein Trommelfell fast zum Platzen.
    Â»Hey, bist du irre, hier drinnen so laut zu sein?«, fragt Sophie und reißt ihm die Trompete weg. Ungefähr zehn Abiturienten stehen in unserem Flur. Sie wollen alle aufs Klo.
    Â»Das find ich super, dass wir bei dir auf Toilette dürfen«, ruft Luna aus der geschlossenen Klotür heraus.
    Â»Na klar, ist doch kein Problem«, antworte ich.
    Daniel kommt durch die Terrassentür und zieht mich am Unterarm ins Wohnzimmer.
    Â»Meine Mutter macht tatsächlich nicht auf.« Er riecht nach Alkohol.
    Â»Hast du es durch die Terrasse probiert?«, frage ich.
    Er nickt. Sein Gesicht verändert sich. Ich kann darin seine Gedanken lesen, seinen Hass.
    Â»Das ist echt heftig«, sage ich.
    Â»Das ist nicht heftig, das ist absolut total scheiße! Alle anderen Eltern, alle, alle, ALLE überhäufen uns mit Essen und Trinken. Und meine lässt mich nicht mal an die Sachen, die ich selber vorbereitet habe.«
    Â»Hast du keinen Schlüssel?«
    Â»Sie hat ihren Schlüssel von innen stecken.«
    Â»Krass!«, sage ich. »Weißt du, was? Meine Eltern sind doch heute für eine Woche weggeflogen. Vorher haben sie die Vorratskammer bis oben hin gefüllt. Komm, wir schauen, was es da für euch gibt.«
    Â»Pumuckl, du bist die Beste!« Daniel umarmt mich, sein vertrauter Duft, seine Wärme, mein Herz…
    Gerade noch lag Caro in diesen Armen, denke ich. Und bevor die Tränen kommen, löse ich die Umarmung und ziehe Daniel an seinen ehemaligen Klassenkameraden vorbei, runter in den Keller, zur Vorratskammer.
    Nachdem alle Chipstüten, der riesige Schinken aus Italien und zwei Kästen Cola im Anhänger sind, ruft Daniel ausgelassen:
    Â»Was meint ihr, dürfen die beiden mit?«
    Â»Yeah!«, tönt es von allen Seiten.
    Jonas und der Rothaarige spielen eine Fanfare auf ihren Trompeten.
    Sophie und Luna reichen Ela und Caro die Hände und hieven sie auf den Anhänger.
    Â»Klar kommen die mit«, ruft Sophie ausgelassen. »Sind schließlich nicht nur die Klorettung in der Not, sondern auch noch unsere besten Volleyballerinnen.«
    Und plötzlich stehen Caro und ich auf dem Traktoranhänger und fahren bei der legendären Abiturienten-Traktorfahrt mit, obwohl wir erst in zwei Jahren unser Abi machen. Welch eine Ehre!
    Sie musste etwas gegen diese Stille tun. Ihre Eltern kamen erst Freitag zurück. Tante Waltraud war wahrscheinlich unten bei Großmutter. Ela wusste nicht, ob sie sich darüber freuen sollte oder nicht. Ihre Tante war eine Nervensäge, aber gegen die herrschende Stille und das Kopfkino war ihr Gebrabbel wahrscheinlich Balsam.
    Ela spürte, dass die Terrassentür und weitere Fenster offen standen, weil die Sommerluft plötzlich durch den Flur zog. Die antike Standuhr tickte und zeigte elf Uhr. Elas Körper fühlte sich hundemüde und hellwach zugleich an. Es war vor allem das schwer pumpende Herz, das Unruhe in ihren erschöpften Körper brachte. Es pochte bis hinauf zu den Schläfen. Von draußen hörte sie die Stimmen von Kommissarin Volkmann und Daniels Mutter. Nein! Die waren noch schlimmer als die Stille. Sofort stand sie auf und machte die Terrassentür zu. Auch in allen anderen Zimmern schloss sie die Fenster. Die Trauer des Nachbarhauses durfte sie jetzt nicht erreichen. In ihrem Zimmer ließ sie sogar die Rollläden runter, ganz leise, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Die Vorstellung, Daniels Mutter würde herüberkommen, war der Horror.
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