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Hoellenflirt

Hoellenflirt

Titel: Hoellenflirt
Autoren: Beatrix Gurian
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denn?« Valle kommt näher.
    »Das habe ich in Roberts Versteck gefunden, zu dem der Schlüssel gepasst hat. Auf dem Handy ist ein Video gespeichert.«
    »Und was ist drauf?«
    »Ich weiß es nicht. Ich wollte es mit dir zusammen anschauen.«
    »Glaubst du nicht, dass wir Albträume davon kriegen werden?«
    »Vielleicht. Aber ich muss wissen, warum Robert es aufbewahrt hat.«
    Valle setzt sich wieder an den Buchenstamm, unter dem die Asche seines Bruders beerdigt ist, und klopft auf den Schnee neben sich. »Dann komm.«
    Ich schalte es ein. Es dauert ewig, bis es läuft. In der Galerie finden wir ein Foto von einem glücklich lachenden Leon, der der Kamera mit einem Glas zuprostet. Valle wird blass. Die anderen sechs Bilder sind verschwommen. Dann gehen wir zu der Filmfunktion.
    Zuerst sieht alles dunkel aus, der Film ist ohne Ton und sehr pixelig, aber dann erkennt man einen toten Fuchs mit zerschmettertem Kopf. Jemand schneidet dem Tier den Schwanz ab und hält ihn triumphierend in die Höhe. Giltine.
    Der nächste Film zeigt einen Raum, der mit flackernden Kerzen erhellt ist. Schwarze Gestalten stehen um einen Tisch, sie weichen zurück, als die Kamera näher kommt, und geben den Blick auf eine bewusstlose, nackte Person frei. Leon.
    »Das will ich nicht sehen.« Valle springt auf. »Niemand soll das sehen, hör auf damit!« Er stürzt davon.
    Ich schalte das Handy aus und renne ihm hinterher. Zum Glück kann ich seine Spuren im Schnee gut erkennen, er selbst ist zwischen den Bäumen verschwunden.
    »Valle!«
    Keine Antwort.
    Ich folge den Spuren, aber ich brauche zwei Schritte, wo er einen macht, und weil der Schnee sehr tief und pulvrig ist, komme ich nur langsam vorwärts.
    »Valle!«
    Ich keuche vor lauter Anstrengung, außerdem macht sich mein rechter Knöchel bemerkbar, er darf noch nicht stark belastet werden.
    »Das war blöd«, rufe ich, »tut mir leid, wir schmeißen das Ding weg oder geben es der Polizei, was immer du willst. Valle!«
    Endlich habe ich ihn eingeholt. Er steht vor einem Felsblock, bleich und mit zornig funkelnden Augen. Die Arme vor seinem Körper verschränkt.
    Ich gehe trotzdem zu ihm und umarme ihn.
    Halte ihn fest.
    Ganz fest.
    Schäme mich, dass ich Roberts Siegerwahnsongs geträllert habe, ohne darüber nachzudenken, was sie bedeuten. Schäme mich, dass ich nicht erkannt habe, wie arm dieses teuflische Geschwafel letztlich ist.
    Denn was wäre das für eine Welt, eine Welt der Sieger, in der sich wirklich jeder nur um sich selbst kümmert? Wo bliebe dort das Wichtigste, was es überhaupt geben kann? Wo bliebe da die Liebe?
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