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Hoellenengel

Hoellenengel

Titel: Hoellenengel
Autoren: Thráinn Bertelsson
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Vater das Sorgerecht
für den Sohn.
    Island ist ein kleines Land, und über diesen Vorfall wurde
ziemlich viel geredet. Þórhildur beschloss,
unterzutauchen, und ging nach Australien. Sie arbeitete als
Reinigungskraft in einem Krankenhaus und setzte alles daran,
trocken zu werden. So verbrachte sie einige Jahre in Australien, wo
sie die Anonymen Alkoholiker kennenlernte, und Mut fasste, eine
Fortbildung in forensischer Medizin zu beginnen. Auf diese Art und
Weise konnte sie ihr vorhandenes Wissen nutzen, ohne wieder
Verantwortung für lebende Patienten tragen zu
müssen.
          
     
     
    Als schließlich
ein Gerichtsmediziner in Island gesucht wurde, bewarb sie sich und
bekam die Stelle. So haben wir uns kennengelernt.
    Magnús, der Junge, von dem wir sprachen, wuchs bei seinem
Vater auf, der ein unsolides, ausschweifendes Leben führte.
Nachdem sie zurückgekehrt war, versuchte
Þórhildur, ihrem Sohn wieder näherzukommen, aber
er war voller Zorn, denn er fühlte sich von ihr
verstoßen, als sie das Land verlassen hatte. Schon jung
begann er mit dem Trinken, flog von der Schule und hat sich mehr
oder weniger selbst versorgt, seit er dreizehn war.
    Er hat sich bei seiner Mutter immer nur gemeldet, wenn er Geld
brauchte. Sie hatte immer das Gefühl, ihm etwas schuldig zu
sein, wobei sie bis heute nicht weiß, wie sie es
wiedergutmachen soll, und das hat er ganz geschickt auszunutzen
gewusst. Bis jetzt. Vor einigen Wochen rief er an und sagte, er sei
in Holland. Seitdem haben wir nichts mehr von ihm
gehört.«
    »Wie alt ist er?«
    »Siebenundzwanzig. Wird achtundzwanzig diesen Sommer.«
»Wovon hat er gelebt ­ abgesehen von seiner
Mutter?«
    »Von diesem und jenem, genau wie alle anderen
Kleinkriminellen. Er war Geldeintreiber und Dealer. Und er hat sich
mit Geschäften wie dem Import von Autos befasst. Er sagte, er
sei Mitbesitzer eines Nachtclubs, der sogenannte
Revuetänzerinnen aus dem Baltikum holt. In seinem
polizeilichen Führungszeugnis findet sich nichts außer
einem Führerscheinentzug. Er ist ein intelligenter und gut
aussehender Junge. Aber das hilft ihm auch nichts, im Gegenteil,
ich glaube, dass seine Intelligenz ihn eher
hemmt.«
    »Er ist zu intelligent, um aufzugeben und
aufzuhören?«
    »Ja, genau. Mir scheinen die Menschen ihren Mist immer
weiterzumachen, solange sie sich nicht in eine existenzielle Krise
bringen. Wenn sie die Familie verloren haben oder im Job
gekündigt worden sind, dann geben sie auf. Magnús hat
keine Familie und auch keinen Beruf.
    Er hat nur durch seine Cleverness überlebt und kann sonst
nichts. Für ihn gibt es keinen Grund,
aufzuhören.«
    *****
    »Dunkelheit und Schneefall«, sagte van Turenhout.
»In dieser Geschichte kommen Dunkelheit und Schneefall vor,
und sie spielt in Island. Ansonsten ist sie haargenau so wie viele
andere Geschichten. Sogar der Junge gleicht dem Sohn meines Bruders
aufs Haar, auch wenn der bei seiner Mutter aufwuchs und nicht beim
Vater.«
    »Und er ist auch in der Drogenszene?«
    »Nein, er liegt auf dem Friedhof. Er wurde vorletztes Jahr in
einer Diskothek erschossen«, antwortete van Turenhout.
»Wegen einer Meinungsverschiedenheit über ein paar Gramm
Kokain. Du kannst dich darauf verlassen, dass ich versuche,
herauszufinden, ob euer Junge in Holland ist. Dann werde ich schon
einen Grund finden, ihn einsperren zu lassen, sodass er Zeit hat,
über die Dinge nachzudenken. Unser Frank wäre vielleicht
noch am Leben, wenn ich nicht gezögert hätte, meine
Stellung zu missbrauchen, um ihn aus dem Verkehr zu
ziehen.«
    *****
    Víkingur verabschiedete sich vor dem Restaurant von seinem
Gastgeber und lehnte das Angebot, zum Hotel gebracht zu werden,
ab.
    »Ich möchte einfach gerne noch einen Spaziergang
machen.«
    In den Straßen pulsierte das Leben und die Menschenmenge war
so dicht, dass der Abendspaziergang zum Hotel länger dauerte,
als er gedacht hatte.
    Es war exakt 22:56 Uhr, als er das Foyer des Hotels betrat, und
22:58 Uhr, als er die Zimmertür öffnete.
    Vor elf wieder zu Hause, dachte er.
    Drinnen war es dunkel und er zögerte, das Licht einzuschalten.
Þórhildur schlief sicherlich. Er schloss die Tür
hinter sich und trat in die Dunkelheit.
    Er scheiterte mit seinem Vorhaben, leise zu sein, als er sich den
Fuß an einem Stuhl stieß, strauchelte und aufs Bett
stürzte.
    »Entschuldige, das bin nur ich«, sagte er, damit
Þórhildur nicht glaubte, ein ungebetener Gast sei zu
Besuch gekommen. »Ich habe mich an einem
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