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Hoehepunkte der Antike

Titel: Hoehepunkte der Antike
Autoren: Kai Brodersen
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traditionellerweise im juristischen Unterricht den Studierenden zu vermitteln pflegt. Dass dieser Spruch seine Richtigkeit
     in einem von der Idee einer hierarchischen Normenordnung geprägten System hat und durch Art. 20 Abs. III des deutschen Grundgesetzes
     legitimiert ist, nach welchem die Gesetzgebung an die verfassungsrechtliche Ordnung, Exekutive und Rechtsprechung an Recht
     und Gesetz gebunden sind, bedarf hier keiner weiteren Ausführungen. Rechtsfindung bedeutet heute vornehmlich eine Frage der
     Subsumtion des Sachverhalts unter eine vorgegebene Norm. Stellt man diese Frage dagegen für das antike Rom, so würde ein Römer
     den dargestellten Gedankengang vermutlich mit Unverständnis und Kopfschütteln quittieren. Denn in Rom gab es vor Justinians
     Zeiten keine Kodifikation des Privatrechts, die einem modernen Gesetzbuch auch nur annähernd vergleichbar gewesen wäre; insbesondere
     das von Livius als „Quelle allen öffentlichen und zivilen Rechts“ betrachtete Zwölftafelgesetz aus den Jahren 451/50 v. Chr.
     enthielt nur unsystematische und sektorielle Regelungen. Schon aus diesem Grunde stellen die Digesten einen Höhepunkt der
     Rechtskultur dar. Für das klassische römische Privatrecht bleibt aber festzuhalten: Es war weitestgehend unnormiert. Seine
     Fortentwicklung geschah kaum durch Akte der Gesetzgebung, sondern mittels der fallbezogenen Gewährung von Rechtsschutz durch
     den dafür zuständigen Magistrat, den
praetor
. Seit 241 v. Chr. unterschied man zwischen dem
praetor urbanus
für Streitigkeiten unter stadtrömischen Bürgern und dem
praetor peregrinus
für Streitigkeiten mit oder unter Fremden. In dem Edikt, das jeder Prätor zu Beginn seiner Amtstätigkeit erließ, sind die
     Rechtsschutzverheißungen aufgezeichnet; es wurde für den Bürger sichtbar auf dem
Forum
aufgestellt. Dabei bildete sich im Lauf der Zeit die ständige Praxis heraus, |223| dass der jeweilige Amtsträger das Edikt seines Vorgängers übernahm; insofern spricht man vom
edictum tralaticium
. Der
praetor
hatte dabei im Zuge der Konsolidierung der römischen Republik die
pontifices
, die Oberpriester, als Jurisdiktionsorgan abgelöst, womit es zu einer „Verweltlichung“ des Rechtswesens kam. Er war jedoch
     kein „Jurist“ im modernen Sinn, sondern ein auf ein Jahr gewählter politischer Beamter. Die Rechtsentwicklung vollzog sich
     – etwas plakativ gesprochen – seit der verfestigten Republik bis hin zur endgültigen Ediktsredaktion durch den Juristen Salvius
     Julianus zur Zeit Kaiser Hadrians vor allem durch die Erfindung von Prozessformeln, die das Streitprogramm zwischen Kläger
     und Beklagtem in knapper Form zusammenfassten. Bei ihren Entscheidungen, der Abfassung und der Auslegung der Prozessformeln
     ließen sich die Prätoren, römischer Mentalität entsprechend, von einem Kreis fachkundig sich mit dem Recht befassender Personen,
     eben den „Juristen“ im antiken Sinne, beraten. Als solche waren diese Juristen Privatleute, deren Autorität alleine auf ihrer
     Fachkenntnis beruhte. Ihre primären Tätigkeiten waren neben der Entwicklung der Prozessformeln (
agere
) vor allem
cavere
und
respondere
, d. h. die Erfindung von Vertragsformularen und die Erteilung von Rechtsgutachten. Es ist der ständigen, mit den Mitteln
     der griechischen Wissenschaftstheorie geführten Diskussion der römischen Juristen untereinander über die zutreffende Interpretation
     des Rechtsstoffes zu verdanken, dass sich im Lauf der Jahrhunderte eine kontinuierlich fortschreitende
iuris prudentia
, die Rechtswissenschaft, herausbildete. Ausdrücklich sei hier betont, dass es sich bei den römischen Juristen um einen zahlenmäßig
     geringen, geradezu elitären Kreis von Personen handelt. Insbesondere passt das modernen Vorstellungen folgende Bild, jeder
     Anwalt oder Richter sei Jurist, nicht im Geringsten für Rom. Selbst Cicero, der bedeutendste Redner Roms, ist als Advokat
     kein „römischer Jurist“ im technischen Sinne und wird von den Juristen nur als Literat, nicht aber als gleichberechtigter
     Partner im Diskurs zitiert. Deren Ergebnisse spiegeln sich in einer Literatur wider, in der bald die auf der Entscheidung
     praktischer Fälle basierenden Gutachtensammlungen (
responsa
oder
digesta
) eine dominante Rolle übernehmen sollten. Zur Zeit von Augustus wurde es dann üblich, ausgewählten Juristen als Privileg
     das
ius respondendi ex auctoritate principis
zu erteilen; deren Gutachten hatten gesetzesgleiche
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