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Hoehepunkte der Antike

Titel: Hoehepunkte der Antike
Autoren: Kai Brodersen
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Wirkung.
    |224| In seinen 1934 erschienenen
Prinzipien des römischen Rechts
konnte Fritz Schulz daher pointiert formulieren: „Das ,Volk des Rechts‘ ist nicht das Volk des Gesetzes.“
    Doch gilt (auch für Rom) keine Regel ohne Ausnahme: Eine solche stellt für die Privatrechtsentwicklung die
lex Aquilia
dar, ein üblicherweise auf 286 v. Chr. datiertes Plebiszit, das die Tötung fremder Sklaven und fremden Viehs sowie weitere
     Tatbestände der Sachbeschädigung regelte. Im Rahmen der Interpretation der Gesetzesworte
occidere
(„erschlagen“) und
iniuria
(„widerrechtlich“) entwickelten die römischen Juristen scharfsinnige und heute noch verwertbare Gedanken zur unmittelbaren
     und mittelbaren Kausalität bzw. zur objektiven Rechtswidrigkeit und zum subjektiven Verschulden. Die
lex Aquilia
kann als Vorbild des § 823 Abs. I BGB, der Grundnorm unseres Deliktsrechts, gelten.
     
     
    Römische Juristenliteratur
     
    Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass es die literarischen Produkte der Juristen sind, die die Gestalt des römischen
     Rechts geprägt haben. Knapp vierzig Juristen sind in den Digesten vertreten. Während von den republikanischen Juristen allenfalls
     einzelne Fragmente oder verstreute Äußerungen aus zweiter Hand erhalten sind, bessert sich die Überlieferung seit dem Prinzipat.
     So lassen die Digesten durch viele Zitate späterer Juristen erkennen, dass insbesondere bei dem zu Augustus’ Zeiten wirkenden
     Labeo die Rechtsbegriffe eine gewisse Verfestigung erfahren. Schulbildend wirken in der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr.
     Massurius Sabinus, der erste Jurist aus dem Ritterstand, dem das
ius respondendi
von Tiberius verliehen wurde, auf der einen und Proculus auf der anderen Seite. Eine absolute Hochblüte entfaltet die „hochklassische“
     Jurisprudenz in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr., die uns in ihren Gutachtensammlungen eine reichhaltige Kasuistik
     überliefert; ihren Protagonisten Julian und Celsus gebührt das Verdienst, viele juristische Streitfragen in mustergültiger
     Klarheit formuliert und mit überzeugenden Argumenten (meist sogar endgültig) entschieden zu haben. In dieselbe Epoche gehört
     der erste als Rechtshistoriker zu bezeichnende Jurist, Pomponius. Diese vorwiegend an der Einzelfallgerechtigkeit orientierte
     Respondiertätigkeit hatte in den vier Jahrhunderten von 250 v. Chr. bis 150 n. Chr. ein ungeheures „juristisches |225| Material“ geschaffen. Erst ab dem 2. Jahrhundert n. Chr. gelang es der römischen Jurisprudenz allmählich, die gefundenen Ergebnisse
     in eine gewisse Ordnung zu bringen – Cicero hatte die Methode der Juristen seiner Zeit noch wegen dieses Mankos als unwissenschaftlich
     beschimpft und versucht, in der (verlorenen) Schrift über ein „wissenschaftlich dargestelltes Zivilrecht“,
de iure civili in artem redigendo
(oder
redacto
), Abhilfe zu schaffen.
    Die Epoche der Spätklassik tendiert dazu, die bisher vor allem aus der Kasuistik gewonnenen Ergebnisse einerseits durch Differenzierungen
     zu verfeinern, andererseits zu systematisieren. Angereichert werden die Fallentscheidungen durch theoretische Erörterungen
     und die Diskussion erfundener Fälle, die vor allem in so genannten
quaestiones
und
disputationes
überliefert sind. Schon die Antike rühmte die Quaestionen Papinians (ermordet 212/13), der vielen als der bedeutendste Jurist
     überhaupt gilt. Paulus (etwa 160–etwa 230) und Ulpian (etwa 170–ermordet 223) zeichnen sich insbesondere durch riesenhafte
     Großkommentare zum prätorischen Edikt aus; dabei scheint Paulus eher einer eigenwilligen selbständigen Dogmatik zuzuneigen,
     während Ulpian meist unter verschiedenen Ansichten eine pragmatische „Mittellösung“ vertritt. Die beiden zuletzt genannten
     Autoren stellen auch die am häufigsten exzerpierten Juristen dar; aus Ulpians Feder stammen etwa ein Drittel, aus der des
     Paulus ein Sechstel der in die Digesten übernommenen Texte.
    Mit den Digesten hat Tribonian eine Summe des römischen Rechts geschaffen und das sich aus den römischen Juristenschriften
     ergebende Recht der Nachwelt bewahrt; außerhalb der justinianischen Kompilation sind nur ganz spärlich Fragmente römischer
     Juristen überliefert. Bei der Kompilation gingen zwar vermutlich weit über neunzig Prozent der Juristenliteratur durch die
     justinianische „Schere“ verloren; eine andere Frage ist indes, ob mit diesem erheblichen Verlust an Masse auch ein ebenso
    
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