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Höchstgebot

Höchstgebot

Titel: Höchstgebot
Autoren: Hoeps/Toes
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da.
    »Wo ist Jens Hinrichs jetzt?«, fragte Frau Roeder.
    »Er sitzt noch in Haft, aber meinen Informationen nach wird er bald wieder auf freiem Fuß sein«, antwortete Micky. »Er trägt eine Mitschuld an dem Hochtreiben des Preises für das Gemälde. Aber dieses Wirtschaftsdelikt wurde nicht zur Anzeige gebracht. Er wusste auch von dem Verkauf der Firmendaten, aber es ist die Frage, ob ihm das angelastet werden kann. Ingrid war seine Chefin und wahrscheinlich hat er geglaubt, ihr Handeln sei rechtens. Außerdem hat er dabei geholfen, sie zu überführen.«
    »Wem gilt seine Loyalität?«, fragte Elisabeth Roeder. »Ingrid oder der Firma?«
    »Für Hinrichs ist der Begriff Loyalität an Stabilität und Ordnung gebunden«, erläuterte Micky. »Wer ihm ermöglicht, seine Qualitäten als Wissenschaftler unter Beweis zu stellen, und keine anderen Forderungen an ihn stellt, als ›guten Tag‹ zu sagen und ›danke‹, wenn man ihm eine Tasse Kaffee anbietet, wird keine Probleme mit ihm haben.«
    »Könnte er bei Roeder wieder eingesetzt werden?«
    »Unter strenger Führung bestimmt.«
    Frau Roeder klappte den Bericht zu. »Ich bin gespannt auf Ihre weiteren Schlussfolgerungen, aber jetzt muss ich hier retten, was zu retten ist«, erklärte sie.
    Micky hoffte, dass ihre Beschreibung der schicksalhaften Dynamik im Verhältnis zwischen Carsten und Ingrid ihr nicht das Gefühl geben würde, als Mutter versagt zu haben.
    »In Kürze erhalten wir die Daten zurück, die Sybille in Aachen versteckt hat«, sagte Michael.
    »Bedeutet das, die Probleme mit der Rhein-Ruhr-Versicherung sind gelöst?«, fragte Micky.
    »Sie haben wohl keine andere Wahl«, meinte Elisabeth Roeder. »Auf jeden Fall werde ich das Labor nach Roeder Ost verlagern. Wir werden uns wieder auf die Herstellung von Prothesen konzentrieren, wie früher.« Sie setzte die Sonnenbrille ab. »Außerdem erhalten wir eine Kapitalspritze von Ingrid«, verkündete sie. »Sie hat der Firma den Gewinn zur Verfügung gestellt, den sie mit dem Verkauf des Gemäldes erzielt hat.«
    Geschickte Altersvorsorge, dachte Micky, und als Wiedergutmachung sicher das Mindeste. »Letztlich war genau das ihre Absicht«, bestätigte sie.
    Frau Roeder wiegte den Kopf. »Wobei sie jetzt keine Bedingungen mehr daran knüpft«, sagte sie. »Ich fürchte, Ingrid wird eine ganze Zeit fort sein …« Ihre Stimme erstickte in Trauer.
    Micky schwieg.
    »Wir werden sie nicht allein lassen«, erklärte Elisabeth Roeder wieder etwas gefasster. »Wenn sie ihre Strafe verbüßt hat, steht die Tür für sie offen und sie kann ihren alten Platz wieder einnehmen.«
    Micky dachte, dass Frau Roeder das nicht mehr erleben würde.
    »Ich habe mich nicht genug gekümmert«, fuhr Elisabeth Roeder fort. »Und nicht bemerkt, wie viel Verbitterung sich in Ingrid angesammelt hat, während Carsten an ihr vorbei die Geschäfte bestimmte. Mit meinem Wissen und meiner stillschweigenden Zustimmung.«
    Sie sah Micky an. »Es wird eine Zeit brauchen, bis ich das alles wirklich begreifen kann.«
    Micky nickte, obwohl sie in ihrer Polizeizeit erfahren hatte, dass die meisten Beteiligten an einem solchen Drama mit einem Leben nicht auskamen, um zu akzeptieren, was geschehen war. Von Verstehen ganz zu schweigen.
    »Aber wir machen weiter«, sagte Frau Roeder. »Wir müssen einen neuen Vorstandsvorsitzenden berufen.«
    Micky realisierte plötzlich, dass bisher kein Wort über Carsten gefallen war. Das Lieblingskind blieb unerwähnt. Über Carsten zu sprechen, hätte die Unwiderruflichkeit seines Todes anerkannt und Frau Roeder vermutlich aller ihr verbliebenen Energie beraubt.
    »Und es gibt noch weitere freie Stellen bei Roeder«, sagte Michael.
    Micky betrachtete den Übergang zwischen seinem kurz geschnittenen schwarzen Haar und der blassen Haut an seinen Schläfen. Der ideale Direktor, dachte sie. Er besitzt die nötige Ruhe und Kraft für diese Aufgabe.
    »Und Sie, kehren Sie jetzt wieder in die Niederlande zurück?«, fragte Elisabeth Roeder. »Unterwegs zum nächsten Auftrag?«
    Über diese Frage hatte Micky während des größten Teils der Nacht nachgedacht. Sie hatte die Geschehnisse der letzten zwei Wochen Revue passieren lassen und ihre Schlussfolgerungen waren fatal für den Fortbestand ihrer Einfraufirma. Sie war keine Einzelgängerin, sondern eine Teamplayerin.
    »Nein«, antwortete sie. »Dieses Abenteuer ist vorbei. Ich habe vor, mir eine feste Arbeitsstelle zu suchen, mit Kollegen, meinetwegen sogar
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