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Hochzeitsglocken zum Fest der Liebe

Hochzeitsglocken zum Fest der Liebe

Titel: Hochzeitsglocken zum Fest der Liebe
Autoren: ANNE HERRIES
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wenig verwirrend fand.
    „Sir! Sie müssen einen falschen Eindruck von mir gewonnen haben!“ Jo schwankte zwischen Empörung und Verwunderung. „Ich bin eine ehrbare junge Dame. Der Vorfall neulich in dem Gasthof wurde nicht von mir provoziert, das versichere ich Ihnen.“
    Hal betrachtete sie nachdenklich. Er hatte sie nicht auf Anhieb erkannt, denn sie hatte seitdem ein wenig städtischen Schliff erlangt, und außerdem war er bis jetzt nicht ganz bei der Sache gewesen. Eigentlich hatte er nur ein wenig mit einem hübschen Mädchen flirten wollen. Als er nun ihre Empörung bemerkte, überkam ihn plötzlich der boshafte Wunsch, sie zu necken, zu sehen, wie weit sie gehen würde. „Oh, ja, dessen bin ich gewiss.“
    Sie sah, dass er im Stillen lachte.
    „Sogar sehr ehrbar“, fuhr er fort, „wenn auch ein wenig unbekümmert. Aber Carstairs ist ein roher Klotz und ein Narr dazu. Es tut mir leid, dass ich damals so harsch mit Ihnen sprach. Eigentlich galt mein Ärger ihm. Natürlich sind Sie eine Dame von Stand und verdienen Respekt. Außerdem sind Sie unwiderstehlich, wenn ihre Augen vor Zorn flammen. Mir ist, als hätte ich Sie schon immer gekannt, obwohl ich Ihren Namen nicht weiß – denn Sie nannten ihn mir nicht. Der meine ist Hal Beverley, falls Sie ihn erfahren möchten.“
    Jo sah ihm fest in die Augen. „Sir, sind Sie bezecht?“
    Sein Lachen verblüffte sie, denn es klang absolut ehrlich und war sehr ansprechend. „Das fragt man mich häufiger. Mein Vater behauptet, ich sei ein respektloser Frechdachs, doch ich versichere Ihnen, mein Angebot war ganz redlich gemeint. Sie haben eine Schwester, der Sie gern ein hübsches Geschenk machen möchten, in meinen Taschen befindet sich das Geld dafür – Sie müssen mir verzeihen, wenn ich Ihren Sinn für Anstand verletzt habe.“
    „Nein, im Grunde fühlte ich nicht so“, entgegnete sie, selbst überrascht über ihre Worte. „Wissen Sie, mein Vater hätte vielleicht das Gleiche getan, wenn er es sich hätte leisten können. Oft genug schenkte er den Dorfkindern ein paar Münzen.“
    „Vielleicht können wir uns wieder einmal unterhalten“, sagte er, den Hut vor ihr ziehend. „Sie müssen mich nun entschuldigen, ich habe eine Verabredung; wahrscheinlich komme ich schon zu spät. Geben Sie Acht, wohin Sie Ihre Schritte lenken. Es würde mich sehr bekümmern, wenn Ihnen etwas zustieße.“
    „Ich werde besser aufpassen …“ Jo sah dem Davongehenden nach. Sein Haar war von dunkelstem Braun, und er hatte einen so verwegenen Blick – ganz wie der Earl in ihrer Geschichte.
    Sie schüttelte abwehrend den Kopf. Ihre Fantasie ging mit ihr durch; solche Dinge sollten besser ihren Erzählungen vorbehalten bleiben – nicht dem wirklichen Leben.
    Der Auslagen in den Fenstern müde, beschleunigte sie ihren Schritt. Sie musste sich beeilen, denn sie wusste nicht genau, wann die Bücherei schloss. Als sie das Gebäude erreichte, trat gerade eine Frau aus dem Eingang. Eben wollte Jo an ihr vorbei, da hörte sie sie aufstöhnen und sah sie zu Boden sinken.
    Hastig kniete sie neben ihr nieder, fasste deren Handgelenk und suchte nach dem Puls, der jedoch kräftig schlug. Während sie noch überlegte, was zu tun wäre, seufzte die Frau abermals und schlug die Augen auf.
    „Ah, ich muss ohnmächtig geworden sein“, sagte sie schwach. „Darf ich Sie wohl bitten, mir aufzuhelfen?“
    Jo reichte der Fremden, die sich mühsam auf die Füße kämpfte, die Hand. Während sie noch schwankend ihre Kleider zu ordnen versuchte, glitt ihr der Schal von den Schultern, und Jo sah, dass sie offensichtlich in der Hoffnung war. Rasch legte sie ihr den Schal wieder um und fragte: „Ist Ihnen immer noch übel?“
    „Nur ein wenig“, entgegnete die Frau mit schwacher Stimme. „Wenn ich einen Moment niedersitzen könnte …“
    „Ich begleite Sie in die Teestube dort“, sagte Jo und bot ihr den Arm. „Stützen Sie sich auf mich. Ich bestelle uns Tee und ein wenig Gebäck. Vielleicht wird Ihnen dann besser.“
    „Ja, das wäre gut. Heute Morgen war ich in solcher Eile, dass ich nichts zu mir nahm. Daher vermutlich der Schwächeanfall.“
    „Das wird es sein“, stimmte Jo zu. „In Ihrem Zustand sollten Sie wirklich das Essen nicht vergessen, Madam.“ Sie bemerkte den Ehering am Finger der Dame und fügte hinzu: „Soll ich Hilfe für Sie holen? Ihren Gemahl etwa?“
    Die Augen der Frau verdunkelten sich vor Schmerz. „Mein Gatte lebt nicht mehr, und sonst habe ich niemanden.
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