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Hochsaison. Alpenkrimi

Titel: Hochsaison. Alpenkrimi
Autoren: Jörg Maurer
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pensionierte Oberforstrat Willi Angerer,
     der Gemeinderat Toni Harrigl, der Sportpsychologe und Konfliktforscher Manfred Penck und, in der vollbesetzten VIP -Lounge mit guter Sicht auf die Ereignisse, der Geschäftsmann Kalim al-Hasid aus Dubai.
     
    Kalim war vielleicht derjenige von den Genannten, der vom Skispringen im Allgemeinen und vom Skisprungzirkus im Besonderen am meisten verstand. Zwar war er ein waschechter Araber, großgeworden in den knochentrockenen Wüsteneien des Emirats Dubai, sozialisiert in Dubai City und später in vielen schneelosen Großstädten der Welt, doch er wusste alles über diese Sportart. Das Skispringen faszinierte ihn, weil es für ihn den puren Luxus symbolisierte. Der gewaltige Aufwand machte für ihn den Reiz des Skispringens aus. Da waren ein paar Auserwählte, die auf den teuersten Sportgeräten der Welt in den Abgrund rutschten. Und die Massen waren begeistert von dieser Disziplin, die angeblich einmal damit begonnen hatte, dass man über festgefrorene Misthaufen sprang. Er hatte gehört, dass es allein in Norwegen vierzehnhundert Skischanzen gäbe. In Dubai gab es noch keine – aber Kalim al-Hasid hatte vor, genau das zu ändern. Er plante, mitten in der glitzernden City eine Schanze zu bauen, die größte der Welt, die erste in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Er würde sie in den Stadtteil Dschumaira setzen, erstmals würde ein Mensch damit
mehr als dreihundert Meter fliegen können, später vielleicht sogar vier- oder fünfhundert Meter, es war ja alles eine Frage des Anlaufs. Die Springer würden unter rauschendem Applaus von zweihunderttausend Zuschauern direkt aufs Meer zuschweben und dort auf einer künstlichen Insel landen. Unmögliche Hirngespinste? Halluzinationen nach langen sattellosen Wüstenritten? Verrückte Pfeifchenträume aus Tausendundeiner Nacht? Keineswegs: Kalim al-Hasid hatte die Baugenehmigung dafür schon in der Tasche, auch der Baugrund war bereits so gut wie gekauft, und das amerikanische Architekturbüro Skidmore, Owings & Merrill würde es bauen, natürlich, wer sonst. Jetzt musste er nur noch Investoren finden, doch von denen dürfte es genug geben. Kalim al-Hasid war hier, um sich mit Jacques Rogge, dem IOC -Präsidenten, über das gewaltige Projekt zu unterhalten, gleich jetzt, nach dem Skispringen, im Hinterzimmer der Lounge, bei Weißbier und Thüringer Bratwürstchen, die der Belgier so liebte. Er wollte ihn auch schon ansprechen, doch Präsident Rogge hatte es nicht erwarten können – er war noch schnell hinausgegangen, um sich an einer der Imbissbuden eine dieser derben Thüringer Fettspritzknacker zu genehmigen –, denn hier in der spitzenköcheverseuchten VIP -Lounge schuhbeckelte es gewaltig, da gab es südfranzösische Delikatessen wie kuttelgekrösegefüllte
Andouillettes
, oder, ganz schlimm, panierte und flambierte Münchner Weißwürste. Gleichwohl – wenn Rogge gesättigt zurückkam, würde er ihm seine Pläne vorlegen. Die Olympischen Winterspiele 2022 in Dubai! Das klang doch nach was. Oder wenigstens 2026? Oder spätestens 2030? Kalim al-Hasid hoffte, dass Rogge diese hitzeschimmernden Traumgebilde in dickbalkige Zeitungsmeldungen verwandeln würde.
     
    Doch jetzt war etwas passiert da draußen, und Kalim starrte entsetzt aus dem gepanzerten und verspiegelten Fenster der VIP -Lounge. Auch er hatte, arabische Contenance hin oder her, laut aufgeschrien, als der Däne am Scheitel der Flugparabel ins Rudern kam. Alle hier im Raum, die ganzen wichtigen Gestalten und ihre dazugehörigen Personenschützer, hatten von ihren Mobiltelefonen, Lachskanapees und Piña Coladas abgelassen und waren zum Fenster geeilt. Kaum jemand hatte dem Dänen vorher beim Springen zugesehen, beim Stürzen jedoch kamen sie alle zusammen, die Generalkonsule und Sauerkrautmillionäre, die Landesfürsten und Skibindungsfabrikantenwitwen. Alle unterbrachen sie ihre unaufschiebbaren Gespräche, denn sie waren größtenteils nicht aus sportlichem Interesse hier: Während Michael Uhrmann sich reckte, schlossen sie Verträge ab, während Martin Schmitt den Adler gab, stimmten sie Übernahmen zu, während Gregor Schlierenzauer halsbrecherisch landete, nickten sie Kommuniqués ab und schüttelten den Kopf, ob nicht der Artikel ix.f.22 a doch … Aber jetzt war ein Aufschrei durch den Raum gegangen, und alle eilten panisch zum Fenster. Dort versuchte jeder, einen möglichst guten Platz zu ergattern. Viele hatten einen oder sogar mehrere Gorillas im
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