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Hitzeflimmern

Hitzeflimmern

Titel: Hitzeflimmern
Autoren: Anthea Bischof
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ihr Haar vollendet frisiert. Im Vergleich wirkte Herr Orlik ein wenig abgeschabt. Nicht nur seine Kleidung machte den Eindruck, auch sein Blick wirkte ermüdet und Niedergeschlagenheit schien seine Schultern herabzudrücken. Dennoch begrüsste er Karl höflich und hiess ihn ebenfalls Willkommen.
    „Sie möchten sicher etwas essen, wenn Sie sich frisch gemacht haben?“ ordnete Frau Orlik an und wies ihm den Weg ins Bad.
    Karl nickte folgsam und ging, um sich die Hände zu waschen. Doch als er sich im Spiegel sah, wusch er sich auch das Gesicht und entdeckte, dass er eine kleine Schramme am Arm hatte, wahrscheinlich von den Scherben beim Ausbruch aus dem Lagerhaus. Doch er konnte sich nicht mehr entsinnen. Er wusch das getrocknete Blut ab und schlug die Ärmel des Hemdes zurück. Er war verschwitzt und der Staub sass ihm in Haut und Haaren, doch es war ihm gleichgültig.
    „Hast du vielleicht ein Schmerzmittel?“ fragte er Fayna in Deutsch, als er wieder aus dem Bad trat.
    „Lass mich nachsehen“, erwiderte sie und machte sich auf die Suche.
    „Nehmen Sie doch Platz“, sagte Frau Orlik. Sie hatte ihm ein Gedeck am Küchentisch hergerichtet und schöpfte ihm einen Eintopf von Fleisch und roten Rüben in den Teller. Dazu reichte sie weisses Brot.
    „Vielen Dank“, sagte Karl. Er begann zu essen und mit jedem Bissen hatte er grösseren Hunger und als er endlich gesättigt war, hatte er einen halben Laib Brot und die ganze Suppe gegessen.
    Fayna reichte ihm eine unbekannte Filmtablette und versicherte, die wirke gegen Schmerzen. Karl nickte misstrauisch und schluckte die Pille.
    Er bekräftigte seinen Dank für die Mahlzeit. Frau Orlik lächelte und blickte ihn warmherzig an.
    Da war ihm, als sei er angekommen. Als sei er in die Sphäre von ewigem Frieden gelangt. Wie einfach und bescheiden, doch wohltuend war diese kleine geordnete Welt der Familie Orlik. Welch eine gepflegte Gastfreundlichkeit. Karl glaubte, er sei angelangt, wo er doch nie gewusst hatte, dass er auf der Suche gewesen war.
    „ Ich habe Ihnen die Schlafstatt von unserem Sohn hergerichtet“, erklärte Frau Orlik da. Sie stand auf und Karl folgte ihr ins Nebenzimmer. Ein frischbezogenes Klappbett stand bereit.
    „Danke sehr“, sagte er wieder und liess sich sinken.
    „Wir lassen Sie allein, erholen Sie sich gut“, wünschte Frau Orlik und Fayna lächelte stumm, als ihre Mutter die Türe schloss.
    Karl legte sich auf das schmale Bett und einen Augenblick spürte er die unebenen Federn unter sich. Dann sank er in tiefen Schlaf und wohltuende Dunkelheit umfasste ihn.
     
    Karl schlief lange und erwachte erst gegen ein Uhr. Als er sich aufrichtete sah er, dass seine Kleider verschwunden waren und an ihrer statt ein Stapel frischer Sachen lag, zusammen mit einem Badetuch. Er erhob sich und ging ins Bad. Es war ein fensterloser hellblauer Raum mit düsterer Beleuchtung. Jedenfalls kam es ihm so vor, denn er hatte noch nie so schlecht ausgesehen, befand er. Er duschte und zog die Sportkleider an, die er vorgefunden hatte.
    „Guten Tag. Haben Sie die Kleider meines Sohnes gefunden, die ich Ihnen hingelegt habe?“ sagte Frau Orlik freundlich, als sie aus der Stube trat.
    „Guten Tag“, sagte Karl. „Vielen Dank für alles.“
    Sie lächelte wieder ihr warmes Lächeln und bot ihm etwas zu essen an. Karl nahm dankend an und diesmal gab es sauren Hering und eine Art Kartoffelsalat mit einer Menge eingelegtem Gemüse.
    Während er ass, leistete sie ihm Gesellschaft und schob ihm immer wieder die saure Sahne hin, die er zum Hering essen sollte. Die Kombination kam ihm seltsam vor, doch er wollte die freundliche Frau Orlik nicht beleidigen.
    „Was kann ich Ihnen denn nun Gutes tun?“ fragte sie, als er das Besteck niederlegte.
    „Frau Orlik, Sie haben mir schon gen ug Gutes getan, glauben Sie mir“, erwiderte er.
    „ Fayna hat gesagt, Sie haben Schmerzen. Brauchen Sie vielleicht eine Tablette?“ fragte sie unbeirrt weiter.
    „Das wäre nicht schlecht“, gab er zu.
    Da verschwand sie und reichte ihm wieder von den anonymen Filmtabletten, die er am vergangenen Abend probiert hatte. Sie bewirkten zwar, dass seine Verletzung weniger schmerzte, doch ebenso wurde er tödlich müde. Sein letzter Gedanke war, dass er seine Angelegenheiten organisieren musste. Sollte er zur Polizei gehen? Sollte er sich bei CAi AG zurückmelden? Suchte ihn jemand? Sollte er Christelle und die Kinder anrufen?
    Darüber schlief er auf dem Feldbett ein.
    Frau Orlik
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