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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
Autoren: Regine Kölpin
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kam zu spät. Einen verdammten beleidigten Tag zu spät.«
    Hiske strich ihm übers Haar. Es fühlte sich weich an, vertraut.
    »Du wolltest danach keine Frau mehr an dich heranlassen?«
    »Nie wieder«, sagte Jan. »Ich bin einfach kein Mann, der das Richtige tut.«
    »Wie hast du dich gefühlt, als du Lieke all das gesagt, sie alleingelassen hast?«
    »Hundsmiserabel. Bis heute.« Jan sah aus dem Fenster. Eben schickte die Sonne ihre Strahlen herein und ließ die Staubflocken darauf tanzen. »Aber nun geht es weiter, sieh, die Sonne kommt hinter den Wolken hervor.« Er drehte sich lächelnd zurück zu Hiske, der noch eine Frage auf den Lippen brannte, die sie aber nicht noch einmal wiederholen wollte. Sie würde abwarten, ob Jan sie von allein beantwortete.

Epilog
    Feine Hände glitten immer wieder über die Oberfläche des Medaillons, dunkle Augen krallten sich an der Abbildung fest, ergötzten sich an dem Kristall, der bei jeder Betrachtung anders zu sein schien. Es war ein einzigartiges Schmuckstück, und derjenige, der es besaß, fühlte sich reich und stark. Unangreifbar. Gleichzeitig aber ging von dem Meerkristall eine Traurigkeit aus, eine Schwermut, die den Betrachter anfiel und ihn, zusammen mit dem Glück, in eine Zwiespältigkeit führte, die kaum zu ertragen war.
    Die Hände öffneten das Medaillon, und die Augen wurden in den mit goldenen Sternen bezogenen blauen Samt hineingezogen. In den Sternenhimmel, in dessen Mitte das Herz lag: die Eisträne. Geschaffen mit dem Blut eines Menschen. Der Betrachter ahnte das.
    Die Hände ließen das Medaillon zuschnappen und legten es in eine Truhe, die ebenfalls mit blauem Samt ausgeschlagen war. Der Deckel schloss sich darüber mit einem leisen Knacken. »So schnell wird dich keiner mehr zu Gesicht bekommen«, flüsterte die Stimme. »Deine Macht ist zu groß für die Menschen. Es ist genug Blut deinetwegen geflossen. Du hast deine Schuldigkeit getan.«
    Die Hände hebelten einen Stein in der Wand aus und schoben die Truhe hinein. Dann mauerten sie einen kleineren Ziegel davor, sodass die Lücke nicht mehr erkennbar war. Für niemanden.
    ENDE
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Geschichtliche Situation in der Herrlichkeit Gödens 1548
    Ostfriesland war im 16. Jahrhundert eine Hochburg für Glaubensflüchtlinge, in erster Linie aus Holland. Es waren vornehmlich die friedlich gesonnenen Mennoniten, eine Täufergruppe, die vor allem in Emden und in der Herrlichkeit Gödens Zuflucht fanden. Es sind jedoch nachweislich auch führende militante Täufer aus Münster in die Herrlichkeit gekommen, haben sich dort niedergelassen und gewirkt.
    In der Herrlichkeit Gödens herrschte 1548 Hebrich von Knyphausen, Witwe von Haro von Oldersum. Sie hatte dem aus Münster geflohenen Hinrich Krechting (ehemaliger Kanzler des Täuferanführers Jan van Leyden) und seinem Neffen Wolter Schemering Zuflucht in der Herrlichkeit gewährt. Sie konnte vom Wissen der beiden Männer, die als einzige Juristen in der Herrlichkeit ansässig waren, profitieren. Beide Männer sind zum reformierten Glauben übergetreten, damit sie unbehelligt wirken konnten. Man sagt den damaligen Herrschenden in Gödens aber auch nach, dass sie grundsätzlich mit den Täufergemeinden sympathisierten.
    Mit dem Abschluss eines Vergleichs zwischen der Herrlichkeit Gödens und der Gräfin Anna von Ostfriesland konnten 1544 die Eindeichungen am Schwarzen Brack beginnen. Hebrich von Knyphausen holte mithilfe der Kontakte von Krechting und Schemering die Mennoniten aus Holland nach Gödens. Die Herrlichkeit brauchte Infrastruktur und Arbeitskräfte, die Mennoniten eine Zuflucht, da sie durch den Erlass des Kaisers in Holland um ihr Leben fürchten mussten. Die Mennoniten brachten allesamt auch Handwerk mit in die Herrlichkeit, sodass das Land auflebte. Das neu angelegte Siel wurde die Keimzelle von Neustadtgödens, dem einzigen Ort in ganz Deutschland, der von Täufern gegründet wurde. Im Jahr 1548 war der Bau der Neustadt schon vorangeschritten, das neue Siel aber noch nicht ganz fertiggestellt. Dennoch begann sich der Flecken zu entwickeln.
    Neustadtgödens erreichte in den nächsten hundert Jahren große Bedeutung als Handelsort, verarmte aber im 17. Jahrhundert, nachdem ein Damm gebaut wurde, der das Schwarze Brack vom Meer abschnitt.

Glossar
Delft:
ein künstlich angelegter Wassergraben in Emden zur Erweiterung des Hafens
Dünnbier:
Bier, das in der damaligen Zeit aus Wasser mit eingeweichtem Brot hergestellt
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