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Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin
Autoren: Regine Kölpin
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war.
    Als der Bader es aber doch wagte, die Augen bis zum Bauch des Toten wandern zu lassen, war es selbst für einen abgebrühten Mann wie ihn schwer, die Fassung zu bewahren. Das, was er dort sah, übertraf an Grausamkeit alles, was ihm bislang unter die Augen gekommen war.
    Ein paar der Umstehenden, die die Neugierde hergetrieben hatte, kämpften bereits mit dem Würgereiz, eine Frau konnte sich nicht mehr beherrschen und erleichterte sich hinter dem Wagen der Marketenderin.
    »Wer tut so etwas?«, hörte Dudernixen eine Stimme, doch sie schien von weither zu kommen.
    Der Bader trat einen Schritt zurück. Er hatte vorher nicht bemerkt, dass er in einer Lache von bereits getrocknetem Blut stand, das sich tief in den weichen Boden gefressen hatte und seine Zehen benetzte.
    Er bückte sich und öffnete das mit Blut getränkte Wams. Auf den Mann musste mehrfach wie von Sinnen eingestochen worden sein. Dudernixen taxierte alle Umstehenden, die unter den Blicken des Baders den Kopf senkten.
    »Lasst den Landrichter holen!«, befahl er.
    Zwei der Leute boten sich an, nach Gödens zu Wolter Schemering zu gehen, um ihn von dem Mord in Kenntnis zu setzen. Es wurden Stimmen laut, dass man auch Krechting Bescheid geben müsse.
    Dudernixen betrachtete den Toten noch eine Weile, während sich die Menge in Mutmaßungen über den Grund des Mordes verlor. Die Identität des Toten hingegen war eindeutig: Es gab keinen Zweifel, dass es sich um Cornelius von Ascheburg handelte.
    Wann war er umgekommen? Nach der Zusammenkunft am gestrigen Abend waren alle rasch nach Hause gegangen, Krechting hatte Rothmanns baldige Ankunft angekündigt. Was nur hatte Cornelius nachts noch im Lager zu schaffen gehabt? Er lebte mit seiner jungen Frau Tyde auf einer ihm von Hebrich zugewiesenen großen Hofstelle in Hebrichhausen, weit genug weg vom Gestank und der Enge auf dem Burghof.
    Cornelius von Ascheburg war nicht überall beliebt, hatte aber Durchsetzungsvermögen und den Weitblick, der über den Becher des wässrigen Bieres und das Stück Brot oder den Teller Suppe am Morgen hinausging. Hin und wieder hatte Dudernixen ihn bei Anneke, der Marketenderin gesehen, doch es stand ihm nicht zu, die Sache zu verfolgen, auch wenn ein verheirateter Mann bei einer Duuvke so gar nichts zu suchen hatte. Es war besser, wenn er darüber schwieg, denn Anneke machte keinen Unterschied, ob sie einen Lokator wie von Ascheburg in ihr Lager ließ oder einen knollennasigen Bader wie ihn. Schließlich besuchte auch er sie hin und wieder, denn seine Frau Magda war im Bett kalt und nur selten willig. Von Ascheburg aber war für die Menschen zu wichtig, als dass Krechting ihn daran gehindert hätte, zu Anneke zu gehen. Überhaupt urteilte der nie über die fleischlichen Gelüste der Menschen, ihm schien nichts fremd zu sein.
    Dudernixen sah sich um, konnte die Marketenderin aber nirgendwo entdecken. Annekes Anblick brachte einen Mann schnell dazu, dass sich zwischen seinen Lenden etwas regte. Ihre Brüste waren klein, aber fest und glichen wohlgeformten Äpfeln. Sie hatte einen runden Hintern und einen kleinen Bauchansatz, der jedoch überhaupt nicht störte. Die ebenmäßigen Zähne, die Perlen glichen, und das lange rötliche Haar, das sich in leichten Wellen über den Rücken kringelte, machten diesen kleinen Makel mehr als wett. Annekes Haut war weich und feinporig, und wann immer er zu ihr ging, roch sie nach Rosen. Dudernixen atmete tief ein. Er stand vor einer grässlich zugerichteten Leiche, und seine Gedanken waren mit sinnlichen Freuden beschäftigt. Er musste sich zusammenreißen.
    »Was ist hier geschehen?« Eine Frauenstimme riss den Bader aus seinen Gedanken. Vor ihm stand ein junges Weib, das ein Bündel auf dem Rücken trug und eines um die Hand gewickelt hatte. Sie hatte ein schmutziges Kleid an, schwarz mit dunklem Grün. Sowohl das Gewand als auch das Gesicht der Frau waren schlammverkrustet, ihre Schuhe als solche kaum noch zu erkennen. Das dunkle Haar hatte sie unter der Kapuze eines schwarzen Umhanges verborgen, doch kringelten sich ein paar widerspenstige Locken darunter hervor. Dudernixen blieb sofort an ihren Augen hängen, deren Farbe sich zu einem unnatürlichen Blau aus der Tiefe eines Sees und dem Grün der Marschwiesen mischte. Er hatte eine solche Farbe in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Der Blick wirkte keck und lebendig, obwohl die Frau große Strapazen hinter sich zu haben schien, so müde wie sie aussah. Er musterte sie ein
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