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Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin
Autoren: Regine Kölpin
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hatte, auf einem Karren abtransportierte. Wolter Schemering folgte dem kleinen Zug. Er sah nachdenklich aus, betroffen. Entweder, weil er den Toten sehr gut kannte oder weil er Schwierigkeiten befürchtete; das war nicht eindeutig zu sagen.
    »Nun ist er tot, der von Ascheburg«, riss Adele sie aus ihren Betrachtungen. »Ich habe ihm viel zu verdanken.«
    »Was meint Ihr damit?«, fragte Hiske.
    »Sag einfach du. Ich bin Adele.« Die Frau streckte ihr die Hand entgegen.
    »Hiske.« Sie nahm Adeles Hand. Es war nur gut, wenn sie jemanden hier kannte, und vielleicht trafen sich genau in diesem Augenblick zwei verlorene Seelen. Denn je länger Hiske Adele betrachtete, desto sicherer war sie, dass diese Frau bislang kein leichtes Leben gehabt hatte. Ihr ganzes Wesen drückte Niedergeschlagenheit aus, ihre Augen blickten unstet und tieftraurig. Ihr so hart wirkendes Gesicht, was vor allem von den hohen Wangenknochen und der heruntergebogenen Nase sowie der übermäßig blassen Haut herrührte, täuschte darüber hinweg. Mit der Zeit würde sie sicher herausfinden, was genau Adele Stausand so betrübte.
    »Du sagtest eben, du hast von Ascheburg viel zu verdanken?«, hakte sie nach.
    »Ich durfte nach dem Tod meines Mannes auf der Hofstelle bleiben, das ist nicht üblich. Nur Elske Krechting hat dasselbe Recht. Von Ascheburg hat mir damals sehr geholfen.«
    Hiske umfasste Adeles Unterarm und streichelte mit dem Zeigefinger leicht darüber. »Was ist mit deinem Mann passiert?«
    »Das Meer hat ihn mitgenommen.« Adele machte eine Pause, und nun verstand Hiske den Schmerz, der in ihren Augen lag. Sie spürte, dass Adele nicht weiter darüber sprechen wollte, und wechselte das Thema. »Ich muss mich doch irgendwo melden. Weiß ja noch nicht, ob ich bleiben kann.«
    Adele nickte. »Kannst du bei dem da machen.« Sie deutete auf Hinrich Krechting, der gerade aus der Burg trat und sein Wams schwungvoll mit einem Mantel umschlang. Der Mann wirkte, im Gegensatz zu den meisten hier, gut betucht und strahlte eine Macht aus, der sich auch Hiske nicht entziehen konnte. Sie zögerte kurz, erinnerte der Mann sie doch an Remmer von Seediek, ihren Peiniger aus Jever. Krechting war von massiger Gestalt, und seine dunkle und kräftige Stimme hatte sie ja eben bei dem Toten schon vernommen. Er schien hier verantwortlich zu sein, denn wenn er in Erscheinung trat, duckten sich die Menschen unwillkürlich zur Seite, blickten ehrfurchtsvoll zu ihm auf.
    Doch wenn sie bleiben wollte, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm die Wahrheit zu sagen und sich gut mit ihm zu stellen. Also trat sie entschlossen auf den Mann zu, der sie gleichgültig ansah und sich an ihr vorbeischieben wollte. Hiske stellte sich ihm jedoch so in den Weg, dass er nicht umhin konnte, sie zu bemerken.
    »Was willst du, Weib?« Krechtings Stimme dröhnte, als spreche er in ein leeres Fass, und gleichzeitig füllte sie den Burghof, sodass für den Augenblick alles zu verstummen schien.
    »Ich bin Hiske Aalken, Hebamme aus Jever.«
    Krechting musterte sie und blieb an ihren eigentümlichen Augen hängen. Sofort wurde sein Gesicht weicher, so als habe er darin etwas entdeckt, was ihm gefiel. Er sah sie fragend an. »Aus Jever? Warum bist du da fortgegangen?«
    Hiske war wütend, wie Krechting sie behandelte. Seine Art, mit ihr zu sprechen, zollte von keinem großen Respekt. Doch sie hielt sich zurück, es war besser, diesen Mann an ihrer Seite zu wissen. Menschen wie er demonstrierten ihre Macht eben gern durch solche Kleinigkeiten. Hiske sammelte sich, nahm ihren ganzen Mut zusammen und sah Krechting fest in die Augen. »Ich war als Toversche angeklagt, bin freigesprochen worden, und nun hat man mich erneut der Zauberei bezichtigt. Ich suche eine Zuflucht.«
    Hinrich Krechting zog Hiske augenblicklich vom Hof in den Eingang der Burg und von dort hinter eine Tür, die er nachdrücklich schloss. Sie sah sich ängstlich um, doch außer einem großen Sekretär, der sich an die weiße Wand schmiegte, war der Raum fast leer. Einzig ein Gemälde der Burg war an der linken Seite aufgehängt.
    Inmitten der Burgmauern schien sich in Krechting eine Wandlung zu vollziehen. Hiske spürte, dass er sie nun anders ansah. Das zeigte sich auch in seinen nachfolgenden Worten, die ihr nun den nötigen Respekt zuteilwerden ließen. »Ihr seid eine Toversche, eine Zauberin, und sucht hier Zuflucht? Was wirft man Euch genau vor?« Auch wenn Krechting jetzt flüsterte, so hallte seine Stimme dennoch
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