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Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin
Autoren: Regine Kölpin
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zweites Mal. Sie war eine außergewöhnliche Frau. Nicht von klassischer Schönheit, dazu war sie zu klein und ihr Haar zu dunkel. Sie erinnerte ihn an die Weiber, die er in Holland gesehen hatte und die aus dem Süden kamen. Sie hatten allesamt etwas Wildes an sich. Er musterte die junge Frau, und sogleich warnte ihn eine innere Stimme vor ihr. Er fragte sich, ob sie nicht auch eine von den Südländischen war, denn sie konnte eigentlich nicht von hier sein, dazu war ihre Haut zu dunkel. Und dennoch – ihre Sprache hatte einen so deutlich friesischen Einschlag, dass eigentlich kein Zweifel daran bestand, wo ihre Heimat war.
    Der Bader wies mit der Hand auf den Toten. »Der da ist ermordet worden.«
    Dies hatte die junge Frau inzwischen selbst erkannt und war bereits ein paar Schritte zurückgewichen.
    »Wer seid Ihr?«, fragte Dudernixen und musterte sie erneut von oben bis unten.
    »Ich bin Hiske Aalken, Hebamme aus Jever. Ich bin eben hier angekommen und suche nach einer Bleibe.«
    Der Bader runzelte die Stirn. Es wunderte ihn nicht mehr, dass er das Weib misstrauisch betrachtet hatte. Hebammen haftete stets etwas Unwirkliches an, nicht selten waren sie in der Lage, Dinge zu tun, die normalen Sterblichen fremd waren. Er wollte mehr über sie wissen, trotz seines Argwohns faszinierte sie ihn, während sie ihn gleichzeitig abstieß.
    Doch die Hebamme verabschiedete sich rasch mit einem Kopfnicken und verschwand in den Burghof. Dudernixen sah ihr nach. Augenscheinlich eine Spur zu lange, denn der Käsemeister war hinter ihn getreten und schlug ihm derb auf die Schulter. »Ein neues Weib, was?«
    Dudernixen sog die Luft ein. Hoffentlich würde die Hebamme nicht bleiben, war nur auf der Durchreise. Für sie war hier kein Platz, Anneke konnte die Kinder auf die Welt holen. Die Marketenderin war vor einiger Zeit eingesprungen, als die alte Geburtshelferin verstorben war. Wozu war eine richtige Hebamme notwendig? Wenn es Gott gefiel, würde er die Kinder zu sich nehmen, daran konnte auch dieses Weib nichts ändern.
    Weil die Leute aber auch gern Rat bei diesen Heilfrauen suchten, würde Hiske Aalken ihm wohl ein paar Kranke streitig machen, die er bislang immer gegen Bier, Brot oder guten Käse nach seinen Methoden betreut hatte. Hin und wieder fiel auch mal eine Münze, ein Schap, ab. Er wollte das nicht teilen, dafür gab es hier nicht genug zu tun, auch wenn das Lager Tag für Tag wuchs, da immer mehr Menschen aus Holland und Oldersum kamen.
    »Hebamme«, wiederholte er leise für sich. »Mit solchen Augen.« Die waren ihm zu wissend, hatten eine Schläue, die einem Weib nicht zustand. Frauen waren nun mal dumm.
    Dudernixen grinste. Wenn sie blieb und nicht spurte, würde er ihr schon beibringen, zu was eine Frau einzig gut war. Da wäre sie nicht die Erste. Und wenn sie es nicht verstand, hatte er andere Mittel und Wege. Dann gnade ihr Gott.
    Der Bader wurde abgelenkt, als sich Lärm erhob. Die neugierige Menge teilte sich und bildete eine Gasse, durch die Hinrich Krechting wie ein wütender Stier stob. Ihm folgte der Landrichter Wolter Schemering, der wegen seiner schmächtigen Figur, aber auch wegen seines noch jungen Alters an die Gewaltigkeit seines Onkels nicht herankam.
    »Was ist hier los?«, dröhnte dessen Stimme auch schon laut über den Burghof. Hinrich blieb vor dem Toten stehen. Sein Gesicht verlor in Sekundenschnelle alle Farbe. Er sagte nichts, machte auf dem Absatz kehrt und überließ das Mordopfer seinem Neffen.
    »Soll ich Euch ein Bett besorgen?«, fragte eine dünne Stimme, die zu einer kräftigen Frau mit einer stark nach unten gebogenen Nase gehörte. Sie hatte ihr aschblondes Haar nachlässig unter die Haube verbannt und wirkte nicht, als achte sie sehr auf ihr Äußeres, obwohl sie beileibe nicht ungepflegt aussah. »Ich bin Adele Stausand«, erklärte sie, als Hiske nicht gleich antwortete. »Ich habe eine kleine Hofstelle, eine Kate auf dem Weg nach Hebrichhausen, an der alten
Olden Krocht
vorbei.«
    Hiske sah die Frau an. »Ihr bietet mir eine Bettstatt? Hier gibt es genug andere, die es nötig hätten.«
    Das Weib nickte. »Ich will aber nicht jeden bei mir wohnen haben. Habe von Eurer Notlage gehört. Ihr seid Hebamme, das macht Euch vertrauenswürdig. Ich bin allein, kann Euch eine Bettstatt und eine Kammer bieten. Alles sauber, und ich will nicht viel dafür.«
    Hiske überlegte nicht lange und schlug sofort in die dargebotene Hand ein, selbst wenn sie noch nicht sagen konnte, wo sie
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