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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss
Autoren: Jörg Steinleitner
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»Weshalb sollte ich dies denn nicht tun?«
    Anne schüttelte aus Verzweiflung über ihren Chef den Kopf, wandte sich dann aber Josef Weindorf zu: »Können wir dann jetzt das Zimmer sehen?«
    Betrat man das Hotelzimmer, gelangte man gleich links ins Bad. Ging man an dem großen Wandschrank entlang geradeaus, stand man in einem etwa dreißig Quadratmeter großen Raum mit zwei Betten. Sie sahen aus, als wären sie eben frisch bezogen worden.
    »Haben Sie eigentlich einmal versucht, Frau Nikopolidou anzurufen? Sie hat doch sicher eine Telefonnummer hinterlassen?«, wandte Anne sich an den Hoteldirektor und scannte den Raum. Am Fußboden vor dem Bett lagen Hotelschläppchen aus Frotteestoff. Auf dem Nachtkästchen befand sich ein Buch mit dem Titel Risiko , ein Ratgeber zum Thema Entscheidungsfindung, wie Anne mit einem Blick auf den Klappentext feststellte. Unter dem kleinen Schreibtischchen an der Wand stand ein Paar Damenlederslipper.
    »Sie geht nicht ans Handy«, antwortete der Hotelchef. »Wir haben es bereits mehrfach versucht. Auch auf die Mailbox haben wir gesprochen. Eine andere Nummer haben wir von ihr nicht.«
    »Vielleicht schauen’S einmal ins Telefonbuch«, meinte Nonnenmacher.
    »Für München gibt es zu diesem Nachnamen nur einen einzigen Treffer. Das ist ein griechisches Restaurant. Aber auf der Website dieses Restaurants, es heißt Melissos, stehen Inhaber mit anderen Vornamen.« Josef Weindorf zögerte. »Und wir sind diskret. Wir können doch nicht unseren Gästen hinterherforschen …«
    Kastner hatte den Wandschrank geöffnet. Dort fanden die Ermittler ein Paar schwarzer, hochhackiger Schuhe und einen kleinen Rollkoffer. Kastner hob ihn heraus und stellte ihn vorsichtig auf das hintere Bett. Der blonde Polizist mit dem schütteren Haar klappte den Koffer auf und meinte sofort: »Mmh, das riecht aber gut.« Auch Nonnenmacher, der sich neben ihn gestellt hatte, schnüffelte und stellte fachmännisch fest: »Das ist Parfüm.«
    Dann sah Kastner, dass obenauf weiße Unterwäscheteile lagen, und er machte schnell einen Schritt zurück.
    »Hoppla«, meinte Nonnenmacher.
    »Ich glaub, das ist eher deine Baustelle, Anne«, wandte sich Kastner an seine Kollegin. Er wirkte mit einem Mal hilflos.
    »Jetzt geh!«, meinte der Dienststellenleiter und griff mit seinen dicken Fingern die Dessous, bei denen es sich um einfache Baumwollslips und - BH s handelte, und ließ sie neben den Koffer aufs Bett plumpsen. Weiter unten in dem Gepäckstück stießen die Polizisten auf nichts, was ihre Aufmerksamkeit erregt hätte. Hanna Nikopolidou hatte sich für ihr Wellnesswochenende der frühsommerlichen Jahreszeit angemessene, elegant-sportliche Freizeitkleidung eingepackt. Auch zwei Bikinis fanden sie. »Wahrschein’s fürs Hotelschwimmbad«, meinte Nonnenmacher. Als Polizeichef in einem bei Urlaubern beliebten Alpental war dies für ihn nicht die erste Ermittlung in einem Hotel mit Wohlfühlanlage.
    Dann erreichte Josef Weindorf ein Anruf auf seinem Handy. Der Hotelier entschuldigte sich und ließ die Ermittler allein. Nonnenmacher öffnete die Balkontür und trat hinaus. Kastner ging ins Bad, und Anne durchstöberte den Schlafraum. Alle drei schwiegen, bis Anne plötzlich rief: »Nimmt man mehr als zwei Paar Schuhe mit auf ein Wellnesswochenende?« Die anderen beiden kamen von ihren Suchrevieren zurück und sahen sie ratlos an. »Also, ich meine: Wenn die Hanna Nikopolidou jetzt auf ihren eigenen Füßen rausgegangen ist, dann müsste sie doch eigentlich noch ein drittes Paar dabeigehabt haben.«
    »Wenn sie nicht barfuß hinaus ist«, kommentierte Kastner, der seinen Einwand jedoch selbst nicht recht ernst nehmen konnte und sogleich den Kopf schüttelte.
    »Der Türke hat eine ganz andere Barfußkultur wie der Bayer«, meinte Nonnenmacher fachkundig. »Geht unsereins nicht einmal barfuß in den eigenen Garten, weil man fürchtet, in Hühnerscheiße zu treten, wäscht sich der Türke sogar vor dem Kirchgang die Füße und geht dann barfuß hinein. Die Kirche heißt beim Türken auch nicht Kirche, sondern …« Nonnenmacher dachte nach und sagte dann mit so viel Stolz, als hätte er beim Tischfußball einen Treffer versenkt: »Moschää.« Er griff sich etwas eitel an die Nase. »Ich war mit der Helga schon einmal in so einer Moschää. Da liegen überall Teppiche, und es gibt keine einzige Kirchenbank. Der Türke hat wenig Holz, weshalb er alles verheizen muss und es nicht zum Möbelbau verwenden kann.«
    Ohne auf
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