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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss
Autoren: Jörg Steinleitner
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die kulturellen Details von Nonnenmachers Vortrag einzugehen, stelle Anne trocken fest: »Hanna Nikopolidou ist Griechin.«
    »Kurt, ein Tipp«, klinkte sich Kastner ein. »Mit den Türken und den Griechen, das kannst du dir ganz einfach merken: Türke, das ist Kebab. Und Grieche, das ist G wie Gyros. Ich mag ja Kebab lieber. Und außerdem … kann ich mir gut vorstellen, dass die noch ein drittes Paar Schuhe dabeihatte.« Er sah Anne ernst an. »So eine feine, erfolgreiche Dame hat natürlich mehrere Schuhe zur Auswahl dabei.« Gedankenverloren zog Kastner die Schublade des Nachtkästchens auf, auf dem das Buch lag. »Da ist noch was.« Er hob eine elegante Brieftasche hoch. Sofort untersuchten die drei Ermittler den Inhalt: achthundert Euro in großen Scheinen, ein wenig Münzgeld, mehrere Kredit- und Eurochequekarten, ein Foto eines küssenden Paars, bei dem die Frau so südländisch aussah, dass sie durchaus Hanna Nikopolidou sein konnte, ein Personalausweis, der die Verschwundene eindeutig als in München geborene Deutsche auswies, und Visitenkarten.
    »Aha, eine Bankerin«, stellte Nonnenmacher nach einem kurzen Blick auf die Karten mit dem Aufdruck eines der größten deutschen Geldinstitute fest. »No, dann rufen wir da einmal an. Vielleicht ist sie ja schon längst im Büro, und unsere Sucherei hier ist komplett für die Katz.«
    Doch die Hoffnung der Ermittler wurde enttäuscht. Auch Hanna Nikopolidous Kollegin, die den Anruf auf der Durchwahlnummer der Verschwundenen entgegennahm, vermisste die junge Frau. Sie erklärte, dass die Verschollene eigentlich spätestens um acht Uhr dreißig im Büro hätte sein sollen und dass sie bereits mehrfach versucht habe, sie auf dem Mobiltelefon zu erreichen. Zudem erklärte die Kollegin, dass Hanna Nikopolidou ihres Wissens nach allein lebte und ihre Eltern in München ein griechisches Restaurant betrieben. Am Ende des Gesprächs wies Nonnenmacher die Bankmitarbeiterin an, sich für eine Vernehmung bereitzuhalten.
    Dann setzten die drei Polizisten die Durchsuchung des Hotelzimmers fort, fanden jedoch keinerlei weitere Hinweise. Die Befragung der Putzfrau, die es am Tag von Hanna Nikopolidous Verschwinden gereinigt hatte, brachte ebenfalls keinerlei Neuigkeiten zutage.
    Die Ermittler verließen das Hotelgebäude, an dessen Stirnseite rechts und links des kleinen dunkelhölzernen Balkons zwei große Hirschgeweihe hingen, blieben jedoch noch einen Moment davor stehen. »Können wir kurz zusammenfassen«, wandte Nonnenmacher sich an die Kollegen: »Eine …«, er zögerte, »südländische Mitbürgerin, wohnhaft in München, kommt am Freitag ins Hotel und will das ganze Wochenende bleiben. Sie macht Brotzeit und frühstückt am nächsten Morgen …«
    »Also, Brotzeit kann man da nicht sagen«, unterbrach ihn Kastner. »Das war ein warmer Fisch. Eine Brotzeit wär ja was Kaltes.«
    »Das ist doch gehupft wie gesprungen, du Gscheidhaferl!« Nonnenmacher war empört.
    »Nein, Kurt, ist es nicht. Ich habe mir das genau gemerkt: Sie hat sich den Chilisaibling mit Zitronengras und Rahmmousse von der Prinzesskarte bestellt. Ich habe ein Buch über Profiling gelesen: An so einer komischen Bestellung erkennt man schon einmal, dass es sich bei dieser Frau Nikopolidou nicht um eine bodenständige Person, geschweige denn eine Bayerin handeln kann.« Kastner war sich seiner Sache sicher.
    »Jedenfalls muss die Dame dann irgendwann nach dem Frühstück verschwunden sein. Hinweise auf Herrenbesuch gibt es nicht. Und auch nicht auf Damenbesuch.« Nonnenmacher fuhr sich durch den Bart. »Und ob sie barfuß oder mit Schuhen das Hotel verlassen hat, ist auch offen.«
    »Sie ist nicht zur Arbeit erschienen, was kein gutes Zeichen ist«, fügte Kastner an.
    »Was aber auch nix heißen muss, weil sie sich einen Millionär geangelt haben kann«, meinte Nonnenmacher.
    »Und warum lässt sie dann ihre ganzen Sachen im Hotel liegen? Sogar den Geldbeutel und … die Dessous, Kurt? Ich meine, bei einem Millionär wäre die …«
    Anne verdrehte die Augen.
    »Weil ihr der Millionär das alles neu kaufen kann«, antwortete Nonnenmacher, »sogar Schuhe, falls sie wirklich barfuß hinaus ist.« Der Chef der kleinen Polizeiinspektion hatte schon zahllose Affären im Tal erlebt. Die majestätische Berglandschaft provozierte in Sachen Liebe die unvorstellbarsten Koalitionen und Kombinationen: Während seiner Dienstzeit hatten weltberühmte Schlagersänger mit Hippiemädchen angebandelt, Zimmermädchen
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