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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss
Autoren: Jörg Steinleitner
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fand, schönsten und reichsten Bundesland Deutschlands, sondern nur aus dem Rheinland stammende Polizeihauptmeisterin zwei erstaunte Blicke.
    »Kunden?«, meinte Nonnenmacher vorwurfsvoll und schüttelte den Kopf. »Ja sind wir denn hier beim Aldi, oder was?«
    »Habe die Ehre, wer von euch hat bei uns angerufen?«, kam Nonnenmacher direkt zur Sache, als die drei Ermittler an der Hotelrezeption angedockt hatten.
    »In welcher Angelegenheit?«, erkundigte sich die Rezeptionsdame mit der in Luxushotels üblichen völlig unglaubwürdig unterwürfigen Art.
    »Es geht um die Vermisstenmeldung«, kam Anne ihrem Chef zuvor, um zu verhindern, dass er sich auch hier im Ton vergriff.
    »Ach, das wird wohl der Herr Weindorf gewesen sein, unser Direktor.« Sie nahm den Hörer eines der Rezeptionstelefone und hauchte diskret in die Muschel. Anne, die knapp hinter Nonnenmacher stand, zog im selben Moment ein abgestandener Leberkäsegeruch in die Nase. Nonnenmacher hatte auf der Herfahrt darauf bestanden, einen Zwischenstopp in der Metzgerei einzulegen. Die junge Polizistin rümpfte die Nase.
    Der Hoteldirektor Josef Weindorf war ein erstaunlich braun gebrannter Mittfünfziger, Typ Segelklub. Er berichtete, dass die vermisste Hanna Nikopolidou sich am Freitag im Hotel einquartiert habe. »Frau Nikopolidou hat sich für unser Arrangement ›Seephrodite‹ entschieden. Neben klassischen Anwendungen wie Face- und Bodypeeling, Chi-Yang-Energieflussmassagen und Entspannungsbädern verwöhnt es auch mit einem Yoga-Crashkurs, Focusing und Qigong mit Biofeedback.«
    »Focusing und Qigong mit Biofeedback«, brummte Nonnenmacher und schob ein »Dingdong« hinterher.
    »Was ist denn das – Focusing?«, erkundigte sich Kastner staunend.
    Ohne die Antwort des Hoteldirektors abzuwarten, fragte Anne: »Und welche dieser Anwendungen hat Frau Nikopolidou wahrgenommen?«
    »Keine!«, rief Josef Weindorf aus. Er klang beleidigt. »Das ist es ja! Obwohl sie das bei uns all inclusive hätte haben können! Sie hat am Freitagabend um siebzehn Uhr zweiundfünfzig eingecheckt, später hat sie zu Abend gegessen …«
    »Was hat sie gegessen?«, fragte Anne schnell dazwischen.
    »Das ist doch völlig wurscht, was die gegessen hat«, maulte Nonnenmacher.
    »Frau Nikopolidou hat ein Gericht von unserer Prinzesskarte gewählt, den Chilisaibling an Zitronengras und Rahmmousse, und ist dann wohl zu Bett gegangen.«
    »Prinzesskarte, Chilisaibling, Zitronengras … der Saibling ist ein bayerischer Fisch! Das ist ja gerade so, wie wenn der Präsident vom Bauernverband im Kimono Traktor fahren tät!«
    »Und seither wurde sie nicht mehr gesehen?«, fragte Anne ungläubig.
    »Wissen Sie, ob sie die Nacht im Hotel verbracht hat?«, schob Kastner hektisch hinterher.
    Der Hoteldirektor zögerte einen Moment und erwiderte dann mit leicht genervter Stimme: »Am Frühstück hat sie auch noch teilgenommen. Jedenfalls sagt das unser Computer. Und das Zimmermädchen teilte mit, dass das Bett von Frau Nikopolidou nicht gemacht war, als sie morgens zum Reinigen kam. Aber danach war Frau Nikopolidou – so hat es jedenfalls den Anschein – nicht mehr drin.«
    »Können wir das Zimmer einmal in Augenschein nehmen?«
    »Natürlich«, erwiderte Josef Weindorf auf Annes Bitte. »Aber eines ist noch erwähnenswert: Frau Nikopolidou reiste allein an, obgleich sie für zwei Personen gebucht hatte. Unser Buchungsprogramm verzeichnet einen weiteren Gast, Frau Katja Engels. Doch sie hat nicht mit eingecheckt.«
    »Katja Engels«, wiederholte Nonnenmacher nachdenklich. »Wie Friedrich Engels, der Spezl vom Marx.«
    »Zwei Frauen in einem Zimmer«, meinte dagegen Kastner. Die Vorstellung inspirierte ihn ganz offensichtlich.
    Anne verdrehte die Augen. »Wer war an der Rezeption, als Frau Nikopolidou eincheckte?«
    »Das war unsere Frau Himmelsgarten.«
    »Himmelsgarten … Könnten wir diese Frau Himmelsgarten kurz befragen?«, bat Anne.
    Der Hoteldirektor rief seine Mitarbeiterin herbei.
    »Sie haben Frau Nikopolidou eingecheckt?«, fragte Anne freundlich. Die Angesprochene nickte.
    »Sah sie lesbisch aus?«, platzte es aus Kastner heraus.
    »Seppi, bitte!«, fuhr Anne den Kollegen an und wandte sich dann wieder der Rezeptionsdame zu. »Hat sie gesagt, weshalb Katja Engels nicht mit angereist ist?«
    Frau Himmelsgarten nickte. »Sie sei krank geworden, hat sie gesagt.«
    »Und haben Sie ihr das geglaubt?«, wollte Nonnenmacher wissen.
    Die Gefragte zuckte mit den Schultern.
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