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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss
Autoren: Jörg Steinleitner
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so, wie wenn der Präsident vom Bauernverband im Kimono Traktor fahren tät!
    Kurt Nonnenmacher, Polizeichef
    ZWEI
    Montag

    »Wie, was, wie – sie ist weg, zefix? Das gibt’s doch nicht! … Spurlos! Bei uns verschwindet doch niemand spurlos. Jetzt gehen’S noch einmal durch das ganze Hotel hindurch, ganz konzentriert. Und schauen überall nach. In jedem Eck. Die muss ja irgendwo sein. Vielleicht hockt’s in der Sauna. Oder im Dampfbad. Das mag die Türkin! … Ach so, ja dann halt Griechin … Ja! … Das ist doch eh das Gleiche … Ja, Herrgottsakra!«
    Anne Loop, die eben das Dienstzimmer ihres Vorgesetzten Kurt Nonnenmacher betreten hatte, machte mit der rechten Hand eine beschwichtigende Bewegung, die den Chef darauf hinweisen sollte, dass er gerade eine Nuance zu laut war. Doch der brüllte weiter: »Ja, warum rufen Sie dann erst jetzt bei uns an? Heute ist Montag! Die kann ja genauso gut sonstwo sein! … Eine alleinstehende Frau! Gut aussehend! Griechin! Und dann noch von der Bank! Die können rechnen, das sag ich Ihnen. Die wird sich einen von unseren Millionarios am See geschnappt haben! … Jajajaja, ist ja gut, wir schauen gleich einmal vorbei. Ja, servus, Ende.«
    Wütend knallte der Leiter der kleinen Polizeiinspektion den Hörer auf und schrie: »So ein Depp!« Anne machte intuitiv einen Schritt zurück, um sich vor den Schweißtropfen in Sicherheit zu bringen, die den Wutausbruch des wild mit den Armen rudernden Urbayern begleiteten. Dabei trat sie versehentlich ihrem Kollegen Sepp Kastner auf den Fuß, der sich gerade ebenfalls im Chefzimmer der nicht unbedeutenden Polizeiinspektion eingefunden hatte: Man war an dem idyllischen Bergsee immerhin für die Sicherheit einer ganzen Ansammlung von Bonzen zuständig, darunter laut jüngsten Gerüchten sogar ein waschechter russischer Oligarch. Und das in einer Gegend, in der vor nicht einmal einem guten Jahrhundert der Wilderer Georg Jennerwein gewaltsam den Tod gefunden hatte. Der Überlieferung nach war der Girgl, wie man ihn genannt hatte, an einer Kugel, die ihn feig am Rücken getroffen hatte, gestorben. Ein Fleischteil seiner rechten Wange, an dem sogar noch ein Stück des stolzen Schnurrbarts im Wind geflattert haben soll, wurde in den Ästen einer Fichte am Bergkamm der Bodenschneid aufgefunden. Der Verbleib des Fleischteils inklusive des Schnurrbarts ist in etwa so nebulös wie der Tod des Märchenkönigs. Es gibt Stimmen im Tal, die behaupten, der halbe Jägerschnurrbart befinde sich in einem geheimen Giftschrank der Asservatenkammer des Bayerischen Landeskriminalamts.
    »Was für ein Depp war jetzt das?«, griff Sepp Kastner die letzte Aussage des Chefs auf.
    »Ein Hotelhanswurscht.«
    »Und was wollte der?« Kastner neigte zum gepressten Sprechen, er wirkte stets ein wenig hektisch, was womöglich daran lag, dass er einerseits verklemmt, andererseits praktisch ständig auf Frauensuche war. Vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.
    »Nix«, erwiderte Nonnenmacher und zog eine grüne Kunststoffdose mit Schlumpfaufdruck aus der geöffneten Schublade des Schreibtischs. Die Reisdiät, die seine Frau Helga in einer Frauenzeitschrift entdeckt hatte, war das Einzige, was seinen nervösen Magen halbwegs in Schach halten konnte. Gut, Nonnenmachers Arzt meinte zwar, dass eine gesündere Ernährung auch helfen könnte, aber war bayerisches Bier dank seiner vielen wertvollen Inhaltsstoffe – Folsäure, zahllose B-Vitamine, Vitamin H, Magnesium, Kalium et cetera – nicht ein Fitnessgetränk erster Güte? War der bayerische Leberkäse nicht regelrechtes Powerfood, eine Kraftquelle ohnegleichen? Nonnenmachers Arzt, der nebenbei auch als Kurdoktor praktizierte und deshalb etliche Esoterika im Programm für Individuelle Gesundheitsleistungen, genannt IG e L führte, war da anderer Meinung.
    »Was, ›nix‹?«, insistierte Kastner. Anne Loop schwieg.
    Nonnenmacher sah ihn böse an und sagte dann langsam, immer noch Reis mampfend: »Ist garantiert ein Fehlalarm.« Er kaute. »Da ist angeblich eine Türkin aus einem Wellnesshotel verschwunden. Aber bei uns verschwindet doch niemand einfach so. Und überhaupts: Was heißt schon verschwunden …« Er vollendete seinen Gedanken nicht.
    »Ich finde«, schaltete Anne Loop sich ein, »wir könnten uns vornehmen, etwas mehr wie Dienstleister aufzutreten. Letztlich sind doch die Menschen, die bei uns anrufen, unsere Kunden.«
    Für diese Aussage erntete die nicht aus dem, wie Nonnenmacher
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