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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)
Autoren: Tobias O. Meißner
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Abschied. Er war einfach so gegangen.
    Aber Nicole wusste, dass sie ihn wiedersehen würde. Denn er war gegangen wie ein Lampengeist, der einen Auftrag hatte.
    Sie versuchte, sich selbst zu einer Zuversicht zu überreden, denn Kessler würde leiden. Aber es gelang ihr nicht. Ihr eigenes Leid war weiter bei ihr in der Wanne und hatte es sich mittlerweile wohl auch in ihrer Seele schon bequem gemacht. Der große Magier San Roman hatte nicht daran gedacht, es mitzunehmen.
    Der nächste Tag.
    Vor dem Kasten an der Wand, in dem der aktualisierte Computerausdruck mit den ausfallenden Unterichtsstunden und Vertretungen aushing, drängten sich wie in jeder Großen Pause die Schüler und redeten fast genauso bunt durcheinander wie die Farben ihrer markenbetonten Kleidungen.
    »Yeah, Mann, Französisch fällt wieder aus.«
    »Geil!«
    »Uahhhh, zwei Stunden Physik bei Dörrhagen. Das gibt doch nur Chaos.«
    »Fällt Deutsch wieder aus? Fällt Deutsch wieder aus? Kannst du’s sehen?«
    »Was soll der Scheiß? Mittendrin fällt Bio weg? Was soll ich in den zwei Stunden denn hier machen?«
    »Bio weg? Full effect!«
    »Entschuldige«, sprach Nicole den jubelnden Jungen aus der Parallelklasse an, »das Bio, das bei euch ausfällt – hättet ihr das bei Kessler gehabt?«
    »Full target, Baby. Kessler is dead.«
    »Kessler ist tot?«
    Der Junge zuckte die Schultern. »Alle Teacher sind dead. Def, Baby.«
    »Was ist los?«, fragte Yvonne, die gerade dazukam. »Ist was für uns dabei?«
    »Nee. Aber kann sein, dass Kessler krank ist. Dann fällt Sport morgen aus.«
    »Das wäre super. Der fiese Typ hat jede denkbare Art von Krankheit verdient.«
    Nicole nickte geistesabwesend. Es war erst gestern. Gestern nach dem Sport die Schande, gestern nach der Schule der Djinn. Arbeitet schnell, so ein Djinn. Fackelt nicht lange. Komisches Gefühl.
    »Was ist?«, fragte Yvonne und stupste sie an. Niemals hätte Nicole es fertiggebracht, selbst ihrer allerbesten Freundin von den gestrigen Ereignissen zu erzählen. Es war, als hätte Kessler eine unsichtbare Mauer zwischen den beiden Mädchen errichtet, und der Djinn hätte diese Mauer noch verputzt. »Kommst du mit auf den Hof? Vielleicht ist Erik da.«
    »Sei mir nicht böse, Yvonne. Ich will nach vorne gehen, ein bisschen raus aus dem Trubel. Ich fühle mich nicht so gut.«
    »Willst du nach Hause gehen? Soll ich dich entschuldigen?«
    »Nein, nur die Pause über. Wir sehen uns nachher.«
    »Du bist sicher, dass ich dir nicht helfen kann?«
    Nicole lächelte. »Ja, ich bin sicher.«
    Yvonne trottete davon, ein gütiges Wesen, noch zerbrechlicher als Nicole, die immerhin mit Hilfe eines Magiers den Kampf aufgenommen hatte. Auch Yvonne war in ihrer Kindheit sexuell missbraucht worden, wahrscheinlich waren das die meisten Mädchen heutzutage. Von ihren Vätern, Onkeln, großen Brüdern oder einfach nur von Freunden der Familie. Das war wohl eines der Dinge, die das Mädchensein so mit sich brachten. Aber nichts war so unerträglich, als von jemandem bedrängt zu werden, den alle kannten, darüber konnte man einfach nicht sprechen. Kessler hatte Nicole gewählt, nicht Yvonne, nicht Anja, nicht eins der anderen Mädchen, obwohl viele schon viel größere Brüste hatten als Nicole und viel fraulicher waren. Also war Nicole wirklich seine kleine Hure gewesen, hatte Nicole ihn scharfgemacht, während Yvonne und die anderen sich Kessler gegenüber nichts hatten zuschulden kommen lassen und deshalb auch niemals Verständnis haben würden.
    Nicole drängte sich – unbehaglich und mit flauem Gefühl im Bauch – durch den Eingangsbereich der Schule, wo die Größeren, schon Erwachsenen, herumlungerten und nicht nur Zigaretten rauchten. Einige setzten sich in den Pausen auf ihre Motorräder, die ihre wohlhabenden Eltern ihnen gekauft hatten, und gaben im Sitzen damit an, wie wenig sie sich für die Schule interessierten. Nicole dagegen hatte sich immer einigermaßen wohlgefühlt in der Schule, hatte den Reden ihres Vatis geglaubt, dass man fürs Leben lernte. Bis dann gestern das Leben vor ihr aufgeklappt war wie ein fleckiges Buch mit vielen schmutzigen Bildern und nichts mehr hier einen Sinn ergab.
    Sie entdeckte ihren Magier in etwa dort, wo sie ihn vermutet hatte: auf der Einfassung einer Fahrradständerreihe sitzend, schwarze Jeans und ein weißes T-Shirt mit einem schwarzen Jeanshemd offen drüber. Er sah zu jung aus, um ein Lehrer zu sein, und nur kaum zu alt, um hier zu Schule zu gehen. Wenn man
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