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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)
Autoren: Tobias O. Meißner
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Pappi würde um seine Prinzessin weinen.
    Einmal hatte sie Pappi weinen sehen. Das war wegen Herrn Nowak gewesen und dem, was Mutti mit Herrn Nowak in der Waschküche getrieben hatte. Pappi hatte einfach dagestanden und geheult, und Rotz war ihm aus der Nase gelaufen. Da hatte sie auch heulen müssen und war zu ihm hingerannt, und sie hatten sich umarmt und zusammen geheult und gar nicht gewusst, wieso, und am traurigsten und rührendsten war gewesen, dass er versucht hatte zu scherzen, tapfer zu sein, der Pappi. Armer Pappi. Allein seinetwegen durfte sie nicht sterben. Vielleicht auch noch wegen Yvonne. Oder der Pferde in der Reitschule. Oder wegen diesem coolen Erik aus der zehnten Klasse, der mit dem Mofa zur Schule kam.
    Nein, nicht wegen dem. Aber wegen Yvonne und wegen Pappi. Und wegen der Pferde. Durfte Pappi erfahren, was passiert war? Nein, er würde es Mutti verraten. Pappi war nie listig genug, etwas vor Mutti zu verheimlichen, während sie ihn nach Strich und Faden verarschte, den ganzen lieben Tag lang. Es war traurig so. Ihrem Bruder Kai war das immer egal gewesen. Er hatte seine Musik, seine Freunde, die alle aussahen wie Kessler in jung. Er kapselte sich ab, zog sich ganz zurück in die Doom-Deathmetal-Thrash-Satan-Goreshriek-Grindcore-Speedwelt aus Waffen, Monstern und Gewalt, las hässliche Comics wie Judge Dredd und White Trash auf Englisch und träumte unreif von Leder-Gummi-Sex mit Sarah Young, der einzigen Frau, die er jemals nackt gesehen hatte.
    Und vielleicht war es besser, sich so abzunabeln, sich in eine andere, einfachere Welt mit begreifbareren Regeln zurückzuziehen, Regeln, die zwar hart waren, aber wenigstens deutlich zu erkennen, nicht so verwaschen und verschwommen und spießig und glibbrig wie die in der Schule oder in der erwachsenen Welt, unter der Pappi so litt. Anja hatte mal gesagt, erwachsene Männer tragen nur deshalb Krawatten, weil es ihnen nicht mehr erlaubt ist, offen rumzuwedeln mit ihren Schhhhhhhhhhhhhhh
    Vielleicht war es besser, sich abzukapseln, abzunabeln, denn nur die, deren Arme grüßend geöffnet sind, kriegen dauernd eins rein. Versuch, jemanden zu umarmen, und er klaut dir was oder schlägt dich ins Gesicht. Vertrau ihm, lass dich in sein Zimmerchen schicken, wenn der Mädchenumkleideraum schon abgeschlossen ist, zieh dich hastig um und patsch!, schon steht er schnaufend hinter dir und steckt dir seine schmutzigen Finger unten rein und und unnnnnnnnnnnnnn
    Dieses unglaublich wütende Gefühl. Sie machte »Unnnnnnnn!« und strampelte, plantschte dabei mit beiden Beinen in der Wanne und spürte doch, wie ihre Wut zurückgeworfen wurde, zusammensackte wie ein angestochener Teig und nass auf ihren kleinen, schmalen Leib klatschte, ein Mädchen nur, in dieser Männergesellschaft, wie Anja immer sagte, nicht mehr wert als eine Milchkuh. Sei hübsch und sei nett und lächle, damit sie dir ihre schmutzigen Finger reinschieben können oder ihr Ding oder ihre Zunge oder noch viel ekligere, viel zu dicke Dinge aus hartem, kalten Plastik, von denen Anja mal Fotos gezeigt hatte, Folterwerkzeuge wie aus dem unterbelichteten Bildhintergrund eines Ritterfilms, von Männern entworfen, hergestellt, ver- und gekauft, um Frauen zu demütigen, sie langsam, Stück für Stück zu schlachten, mit jedem Tag ein bisschen mehr. Und mit jedem Tag würde es schlimmer werden. Ihre furchtbaren Brüste würden immer größer werden und immer praller, bis sie unter keins ihrer Lieblings-T-Shirts mehr passten, und bis die Männer mit rauen Stimmen »Titten« oder »Möpse« dazu sagen würden und sabbern und hinter ihr herpfeifen und -johlen und dreckige Witze reißen, und sie würden über sie herfallen und sich auf sie drängen wie eine ganze Horde von wahnsinnig wimmelnden und triefenden Kakerlaken mit Kesslerfingern, so lange, bis sie aufdunsen würde unter morgendlichem Kotzen und abendlichem Schreien, aufdunsen, bis die Bauchdecke fast reißt und sie ein halbmeterlanges blutiges hässliches Etwas durch eine winzige Körperöffnung aus sich herauspressen müsste, das ihr ins Leben kreischen würde und sie aussaugen, bis sie eines Tages alt und hässlich sein würde, mit widerlichem Hängebusen und Schmerzen überall, und dann würden sie sie hassen, denn kein Wesen im ganzen Universum wird mehr gehasst als eine Frau, die dafür nicht mehr zu gebrauchen ist, also für nichts mehr zu gebrauchen, und so stellte sie sich dar, lag sie vor ihr, ihre ganze furchteinflößende Zukunft, von heute
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