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Hinter verschlossenen Türen

Titel: Hinter verschlossenen Türen
Autoren: Anne Kathrine Green
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Er ist eine volle Stunde bei ihr im Zimmer gewesen und beim Herausgehen – nehmen Sie alle Ihre Kraft zusammen, wenn Sie das Fräulein wirklich geliebt haben – hat er dem Dienstmädchen, das wir oben sahen, hinterlassen, er werde wieder kommen und einen Geistlichen mitbringen; man möge das Zimmer, in welchem er die Dame soeben gesprochen, in Bereitschaft halten, da er sich am Abend dort mit ihr trauen lassen wolle. Unten im Bureau hat er seinen Auftrag wiederholt, und –
    Sein Name? Wie heißt der Elende? Oder hat er sich nicht genannt? Reden Sie schnell, damit ich meine ganze Schmach auf einmal erfahre.
    Er hat eine Karte dagelassen. Der Name ist Ihnen vielleicht bekannt, erwiderte der Detektiv, indem er dem Doktor eine Visitenkarte überreichte, auf welcher die Worte standen:
    Dr. Julius Molesworth.
    Molesworth, wiederholte er im Tone ungläubigen Staunens. Unmöglich. Ein Fremder hat sich seiner Karte bedient.
    Meinen Sie?
    Ganz bestimmt! Die zwei können keinesfalls etwasmiteinander zu schaffen haben, das muß jedem einleuchten. Molesworth hat mit mir dieselbe Hochschule besucht, ist ein tüchtiger Arzt und beim Gesundheitsamte angestellt. Seine Privatpraxis beschränkt sich auf bedürftige Kranke. Wie in aller Welt sollen sie sich kennen gelernt haben?
    Es liegt immerhin im Bereich der Möglichkeit.
    Und wenn auch, er hätte sie schwerlich für sich eingenommen. Er ist einer der überspanntesten Menschen, die mir je vorgekommen sind. Dabei richtete Doktor Kameron seine schöne männliche Gestalt zu ihrer vollen Höhe auf. Die Bewegung ließ sich nicht mißverstehen.
    Gryce schüttelte lächelnd den Kopf und entgegnete: Wir können darüber leicht ins Klare kommen. In das Bureau eintretend, begehrte er eine nähere Beschreibung des Herrn, welcher die Karte abgegeben.
    Eine ganz eigentümliche Erscheinung, war die Antwort. Ein Mann, der weiß, was er will. Er ist von mittlerem Wuchs, hat dunkles Haar und trägt keinen Bart. Sein Lächeln ist angenehm, aber wenn er finster blickt, könnte man sich vor ihm fürchten. Was seinen Anzug betrifft, so –.
    Aber Doktor Kameron hatte genug gehört.
    Schnell fort von hier! rief er und eilte seinem Begleiter voran.

Viertes Kapitel.
    Als sie draußen standen, blickte der Doktor, welchen der letzte Schlag förmlich betäubt hatte, wie rat- und ziellos umher. Gryce nahm ihn am Arm und suchte ihm begreiflich zu machen, daß jetzt Eile nottue.
    Eile? wiederholte Kameron mechanisch; was sollte michwohl zur Eile treiben? Wo die Braut fehlt, wird der Bräutigam nicht vermißt.
    Mir liegt natürlich zunächst die Pflicht ob, den Eltern über den Aufenthaltsort ihrer Tochter Mitteilung zu machen; aber ich dächte, auch für Sie gäbe es etwas zu tun.
    Hier? Das mag sein.
    Wollen Sie es versuchen? Die Dame ist jetzt allein – vielleicht gelingt es Ihnen –
    Nein, unterbrach ihn der andere, voll Abscheu in Miene und Gebärde, das vermag ich nicht. So weit reicht weder meine Liebe, noch mein Erbarmen.
    Er eilte nach dem Wagen und sprang hinein; Gryce folgte und nahm ihm gegenüber Platz.
    Nach der Stadtbahn! rief er dem Kutscher zu.
    Wir haben durch diese unerwartete Entdeckung volle zehn Minuten verloren, wandte er sich wie zur Entschuldigung an den Doktor, die müssen wir wieder einholen, so gut es geht.
    Kameron nickte schweigend; eine völlige Gleichgültigkeit schien sich seiner bemächtigt zu haben. Jener fuhr indessen fort:
    Ich möchte Ihnen doch auseinandersetzen, wie ich mir die Sache erkläre. Wollen Sie mich anhören?
    Was bleibt mir anderes übrig? war die herbe Antwort.
    Nun also: Fräulein Gretorex hatte sich mit Ihnen verlobt und schien sich als Ihre Braut glücklich zu fühlen, bis dies Glück durch einen Umstand gestört wurde, den wir nicht kennen; doch werden wir kaum fehlgehen, wenn wir ihn nicht mit Molesworth in Verbindung bringen. Nun wünscht sie die Brautschaft aufzulösen, aber ihre Mutter, an die sie sich wendet, sagt ihr, es sei zu spät. Einem unverständlichen Drange folgend, verläßt sie ihr Elternhaus drei Tage vor der festgesetzten Hochzeit, mit Hinterlassung desbestimmten Versprechens, rechtzeitig wieder zurück zu sein und den Ehebund zu schließen. Der Hochzeitstag kommt heran, ihre Rückkehr verzögert sich auf unbegreifliche Weise – aber noch ist der Tag nicht vorüber, und als ich sie um zwei Uhr sah, hatte sie noch sechs Stunden vor sich. Lag es damals in ihrer Absicht, Wort zu halten? Wir wissen es nicht. Aber sie war freudig erregt
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