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Hinter Geschlossenen Lidern

Hinter Geschlossenen Lidern

Titel: Hinter Geschlossenen Lidern
Autoren: Joe Waters , Carolin Wagner
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Rücken glatt als Laderampe benutzen
können, um, sagen wir mal, ein paar Bücherkisten im Bett
zu stapeln. Vielleicht war es lächerlich, irgendwie angeberisch, aber er tat es ja nicht, um sich vor mir zu produzieren. Es war sein ganz normales morgendliches Training,
das er tatsächlich auch dann durchzog, wenn er am Abend
vorher gesoffen hatte. Fasziniert sah ich zu, wie er nach
jeweils zehn Beugen den Arm wechselte und wie die seitlichen Muskeln seines Brustkorbes bei jeder Bewegung zu
einem perfekten Sägeblatt zusammen schnurrten. “Also bis Hundert komme ich heute nicht.”, sagte Clive
schließlich und stand federnd auf. Dann griff er nach dem
Telefonhörer.
“Auch ne Bloody Mary? Ich will den Zimmerservice ...
anrufen.” Bei dem Wort ‘Zimmerservice’ wurde er langsamer, als klingele da etwas bei ihm.
“Für mich nur die jungfräuliche Version.”, sagte ich
schnell, um ihn abzulenken, bevor er auf den richtigen
Gedanken kam. “Tomatensaft bitte, gefrühstückt habe ich
schon.”
Er kratzte sich am Kopf und zögerte, hob dann aber
den Hörer ab und bestellte sich Frühstück mit Eiern und
Speck und allem Drum und Dran.
Ich wartete, bis er auf beiden Backen kaute und kam dann mit dem heraus, was ich mir vorhin beim Duschen überlegt hatte.
“Hör mal, kann ich in Boston für ein paar Tage zu dir ziehen?”
“Weshalb, ist deine Bude abgebrannt?”, fragte er mit vollem Mund und glitzernden Augen.
“Ich will mich von Dan ... Dani trennen.”, beinahe hätte ich mich verplappert. “Du hast Recht, es hat keinen Sinn, mit ihr zusammenzubleiben, wenn ich sie nicht liebe.”, sagte ich und gruselte mich vor dem Schmalz, der da aus mir heraustropfte.
Gleichzeitig wurde mir klar, dass ich log. Für mich machte es durchaus Sinn, eine Beziehung zu führen – irgendeine, damit ich mich nicht mit meinen inneren Dämonen auseinandersetzen musste, die ich seit Jahren sorgfältig verdrängte. Aber von Dan hatte ich wirklich die Nase voll.
Clive schien nichts von meinen Zweifeln zu bemerken.
“Na endlich.”, rief er und in seinem Gesicht leuchtete es auf. Dann räusperte er sich und schluckte erst einmal, um den Mund frei zu bekommen.
“Nein, warte, natürlich tut es mir Leid für dich. Aber ich kann nichts dafür, ich hab schon länger den Eindruck, dass sie dich runter zieht. Du warst so einsilbig in letzter Zeit.”
“Kann schon sein.”
“Und was hat dich dazu gebracht, jetzt einen Entschluss zu fassen?”
Ich wollte ihm nichts von Jason erzählen, deshalb zuckte ich nur mit den Schultern.
“Ich hab gemerkt, dass ich sie kaum vermisse und ihre nächtlichen Anrufe gehen mir auf den Geist.”
“Das zeigt, dass sie kein Stück an dich denkt. Hast du ihr nicht gesagt, dass du deinen Schlaf brauchst?”
Ich nickte
“Na also. Scheint ja nicht gerade besonders feinfühlig zu sein, dein Weibchen. Außerdem, wo treibt sie sich eigentlich abends so lange rum?”
“Genau das habe ich mich auch gefragt. Also kann ich jetzt bei dir pennen, bis ich eine andere Wohnung habe?”
“Klar, kannst du gerne machen. Ich hab Platz genug. Bleib solange du willst.”
“Danke, Mann.”
Wieder strahlten seine Augen und ich wurde langsam misstrauisch. Aber hey, er war mein bester Freund und welche Hintergedanken konnte es dabei schon geben? Wahrscheinlich freute er sich, für eine Weile Gesellschaft zu haben. Musste ja auch öde sein, immer allein zu leben. Ich war eigentlich nie allein. Von zuhause war ich ins College-Wohnheim gezogen, teilte mir aber schon kurz darauf mit Clive eine Studentenbude, die mein Vater bezahlte und wo wir mehr Ruhe zum Arbeiten hatten. Clive war damals einer der wenigen, die genauso ehrgeizig waren wie ich.
Seit ich in der Kanzlei arbeitete, hatte ich ein eigenes Appartement, aber ständig ein oder zwei Mitbewohner. Ich wäre auch jetzt nicht gerne ins Hotel gegangen, freute mich richtig auf die langen Abende mit Clive und unsere Gespräche. Ich konnte mir immer noch ein verschwiegenes Hotelzimmer nehmen, um mit Jason zu schlafen.
Wenn ich so zurückdachte, war das Zusammenleben mit Clive eigentlich auch immer unproblematisch gewesen. Ich brauchte weder hinter ihm herzuräumen, noch qualmte er mir die Bude voll, wie Dan es tat, wenn er abends vor dem Fernseher sein Bier trank. Clive sah ich sogar gerne beim Essen zu, was bei mir schon einiges bedeutete. Wenn es danach ging, wie sorgfältig er dabei vorging, wie ausschließlich er sich aufs Kauen konzentrierte, musste er ein großartiger Liebhaber
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