Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hinter der Tür

Hinter der Tür

Titel: Hinter der Tür
Autoren: Henry Slesar
Vom Netzwerk:
Küche.«
    Vanner kehrte zum Tisch zurück und setzte sich.
    Seine Müdigkeit war verflogen. »Mrs. Bellinger«, sagte er. »Ist es denkbar, daß Mr. Shanks die Suche nach seiner Aktentasche gar nicht aufgegeben hat? Als er sie nicht im Wohnzimmer fand?«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Ist es nicht möglich, daß er sich erinnerte, die Tasche im Obergeschoß stehengelassen zu haben, als er Mrs. Gunnersons Leiche abholte? Er hätte daraufhin doch nach oben gehen können, um sie zu suchen. Erscheint Ihnen das nicht logisch, Mrs. Bellinger?«
    »Aber wenn er in Mrs. Gunnersons Zimmer gegangen wäre, hätte er sie doch gefunden! Sie stand auf einem Stuhl dicht neben der Tür.«
    »Die Tür«, sagte Vanner leise.
    »Was?«
    »Ich mußte gerade an Schlafzimmertüren denken, Mrs. Bellinger, und wie ähnlich sie sich sind.«
    Die Tasse klapperte. »Maria, Heilige Mutter Gottes, Sie meinen doch nicht etwa …«
    »Mr. Shanks kannte das Haus nicht, oder? Er hätte leicht vergessen können, welche Tür in welches Zimmer führte. Nicht wahr, Mrs. Bellinger?« Er legte ihr die Hand auf den rundlichen Arm, auf dem sich eine kalte Gänsehaut gebildet hatte. »Wissen Sie was?« fragte er. »Ich habe die ganze Zeit die falsche Person analysiert. Ich hätte gleich mit Ihnen sprechen sollen.«
    Er lächelte.

14
    W ie ist bitte der Name?«
    »Dr. Joel Vanner.«
    »Waren Sie der zuständige Arzt?«
    »Wie bitte?«
    »Ist das Ihr Name oder der Name des Verstorbenen?«
    Vanner lachte leise, nahm sich dann aber zusammen. Sicher war sein Lachen hier nicht angebracht, nicht im Vorzimmer des Strathmore-Bestattungsinstituts. Das Gesicht des jungen Mannes am Empfangstisch paßte aber auch nicht recht zur Umgebung; mit einem blauen Halstuch hätte er wie ein Country-Western-Sänger ausgesehen.
    »Ich bin nicht gekommen, um … Arrangements zu treffen«, sagte Vanner. »Ich wollte mich nach jemandem erkundigen, der hier angestellt war, der vielleicht noch bei Ihnen arbeitet. Ein gewisser Mr. Shanks. Seinen Vornamen kenne ich nicht.«
    »Shanks? So heißt hier niemand.«
    »Ich glaube, die Firma hat ihm früher einmal gehört – oder er war zumindest Geschäftsführer.«
    »Wie lange ist das her?«
    »Meine Information ist leider fast zwanzig Jahre alt«, räumte Vanner ein. »Aber ich bin ziemlich sicher, daß die Angaben stimmen. Die Firma Strathmore hat eine Frau namens Cressie Gunnerson beerdigt, und Ihr Mr. Shanks hatte damals die Leitung.«
    Der Mann zupfte an einer strohblonden Stirnlocke. »Ich bin erst seit sechs Monaten hier und weiß also nichts über die Geschäftsleitung.«
    »Vielleicht können Sie mir helfen, ihn ausfindig zu machen, womöglich in einer anderen Firma. Es ist wirklich sehr wichtig, daß ich ihn spreche.«
    »Nein, ich glaube nicht, daß ich Ihnen helfen kann. Ich kenne nicht viele Leute in der Branche; ich arbeite überhaupt erst seit einem Jahr in dieser Sparte.«
    »Macht es Spaß?« fragte Vanner, und ein Grinsen teilte seinen Bart. Das Gesicht des jungen Leichenbestatters rötete sich noch mehr, und er stand auf.
    »Ich frage mal Mr. Feeny«, sagte er. »Er ist der Geschäftsführer hier; er ist seit der Gründung in der Firma. Vielleicht erinnert er sich.«
    »Ich weiß Ihre Freundlichkeit zu schätzen«, sagte Vanner. »Vielen Dank.«
    Er freute sich auch über einen Augenblick der Einsamkeit in der gedämpften Stille des Raumes. Er hatte bisher kaum Gelegenheit gehabt, sich gründlich mit der Information auseinanderzusetzen, die ihm gestern abend in den Schoß gefallen war. Als er zu Hause eintraf, hatte ihn sofort Cassandra angefallen, die tagelang vernachlässigt worden war und die nun seiner Liebe bedurfte. Vanner fluchte, als er sah, daß sie ihre Mißbilligung eindeutig zum Ausdruck gebracht hatte, besonders auf der ›Analytiker‹-Couch, die in der möblierten Praxiswohnung seine einzige Investition darstellte. Wenn seine Stimmung nicht so gut gewesen wäre, hätte er vielleicht sein Vorhaben wahrgemacht, das Tier ein zuschläfern. Cassandra war schon einmal in dieser Gefahr gewesen, als er sie übernahm; die Hauswirtin hatte keine Lust mehr, den wilden Liebeshunger und die Exzesse des Hundes hinzunehmen und spielte mit dem Gedanken, Cassandra zum Arzt zu bringen. Vanner war eingeschritten – nicht weil er Hunde liebte, sondern weil er das Gefühl hatte, Cassandra würde ein Element der Dauerhaftigkeit in sein Leben bringen, würde ihn wie einen fest verwurzelten Bürger erscheinen lassen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher