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Hingabe

Hingabe

Titel: Hingabe
Autoren: Peter Postert
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Kuss voller Vertrauen und Intimität. Wieder schaffte er es, ihre Zweifel zu erspüren und zu zerstreuen.
    M. war da, wie ein Fels. Er zerstreute die Brandung, Wellen des Zweifels lösten sich auf. Er war da.
    Lena entspannte sich wieder, soweit es in ihrer Positionierung möglich war. Er saß neben ihr und hielt sie eine Zeit im Arm. Untypisch, aber schön.
    Plötzlich hörte Lena die Tür. M. saß neben ihr, und doch ging die Tür auf. Und schon war ihr Verstand da. Mit einem Mal.
    Eine zweite Schlüsselkarte? Hatte er jemanden eingeladen? Niemals zuvor hatte sie Kontakt mit zwei Männern gehabt. Mit einer anderen Frau, ja. Vor zehn Jahren probiert, aber nicht für gut befunden. Es kickte sie nicht. Mit einem zweiten Mann, das war die klassische Frauen-Phantasie. Die meisten Frauen träumten sie mal. Wenige Frauen taten es auch. Hatte M. das für sie ausgesucht? Würde er sie fragen?
    Die Gedanken schössen wie Blitze durch ihren Kopf.
    M. ließ sie für keinen Moment los. Er saß bei ihr, auch als jemand näher kam. Sie wollte sich an ihn schmiegen, konnte es aber nicht. Sie saß beziehungsweise kniete gefesselt auf dem Bett und konnte sich nicht an ihn lehnen.
    ‚Bitte‘, dachte Lena.
    ‚Du weißt, dass ich dich brauche. Gerade jetzt. Was auch immer du von mir willst. Sei bei mir. Beschütze mich.‘
    Sie wandte ihren Kopf in seine Richtung. Nicht in Richtung des Neuankömmlings. Ein Gast. Ein Gast, der erwartet wurde oder wusste, was ihn erwarten würde.
    Ein Kellner hätte geklopft. Und sich vorgestellt. Sich nicht hereingeschlichen. Ihr keine Angst gemacht.
    Irgendjemand war hier. Doch Lena konnte nicht einmal fragen. Sie hatte immer noch die Gerte im Mund, und auch ohnedass er es ihr gesagt hätte, wusste sie, dass sie die nicht einfach so fallen lassen durfte. Auch nicht, um zu fragen.
    Der Gast hatte wohl mitbekommen, dass Lena seiner gewahr wurde. Er schien sich nicht mehr auf das Bett zuzubewegen. Lena konnte keine Geräusche mehr wahrnehmen, nicht mal ein Atmen war zu hören. Sie konzentrierte sich. Doch sie konnte keine Bewegung ausmachen.
    ‚Beschütze mich‘, dachte Lena wieder.
    ‚Mach es nicht kaputt. Ich vertraue dir.‘
    Da spürte sie M.s Hand an ihrer Wange. Nur ein sanftes Streicheln. Sie lehnte sich leicht dagegen und er stützte sie. Eine kleine Geste, mit ganz viel Kraft.
    Sein Mund näherte sich ihrem Ohr. Ganz leise flüsterte er in ihr Ohr.
    „Lena. Du hast mir bisher immer vertrauen können. Riehtig?“
    Lena nickte stumm.
    „Du hast nie etwas getan oder tun müssen, was du nicht gewollt hast?“
    Sie nickte.
    „Du bist im Auto mit hierhin gefahren. Du hast dich gestreichelt, hast hier im Eingang gewartet. Du trägst eine Gerte zwischen den Zähnen.“
    Lena stockte der Atem. Was kam jetzt.
    „Und du hast gemerkt, dass die Tür aufgegangen ist. Es ist noch jemand in dieses Zimmer gekommen.“
    Lena wagte nicht, zu atmen. Sie nickte unmerklich.
    „Ich könnte die Situation ausnutzen. Zu allem. Du bist Inspiration, nahezu unendlich. Aber ich werde es nicht ausnutzen.“
    M. machte eine Pause. Bei all seiner Männlichkeit war er ungeheuer sensibel.
    Seine Lippen berührten jetzt fast ihre Ohrmuschel.
    „Wenn du es willst, werde ich dir die Augenbinde abnehmen.“
    Lena drehte den Kopf in seine Richtung, ihre Lippen berührten sich fast. Es gab nur IHN und sie. In diesem Zimmer. Sie hatte die andere Person vergessen.
    Diesem Moment hatte sie entgegengefiebert. Sie hatte ihn herbeigesehnt. Sie hatte M. gefühlt, sie hatte ihn gerochen, sie hatte ihn geschmeckt und sie hatte ihn gespürt. Intensiver als je einen Mann zuvor. Seine Art, sie zu behandeln, ihr Lust zu machen, war bis dahin nicht einmal von ihr geträumt worden. Es basierte aber auch auf der Tatsache, dass sie ihn niemals sehen konnte. Ihre anderen Sinne waren auch deswegen umso geschärfter. Schaltet man einen Sinn aus, ist das Erleben der anderen Sinne intensiver.
    Sie konnte aber nicht sprechen, sie hatte ja noch die Gerte im Mund.
    M. sprach jetzt lauter.
    „Ich werde es nicht entscheiden, das tust du. Und dann werden wir den Dingen ihren Lauf lassen. überlege es dir. Es könnte sein, dass du besser nicht sehen willst. Aber vielleicht willst du es unbedingt wissen. Ich werde dir weder zu dem einen noch dem anderen raten. Überleg es dir. Gut.“
    Noch nie hatte er so ernst geklungen. Auch Besorgnis, Achtsamkeit war in seiner Stimme. Aber wovor wollte er sie womöglich beschützen? Was konnte passieren? Würde sie
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