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Himmlische Juwelen

Himmlische Juwelen

Titel: Himmlische Juwelen
Autoren: Donna Leon
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nicht gegeben, wenn ich so sagen darf.«
Noch deutlicher wollte sie ihre Bitte um weitere Auskünfte nicht formulieren.
    »Ich finde, du solltest schon wissen, woher die Unterlagen stammen,
die du bearbeitest.«
    Caterina nickte dankbar.
    »Vor etwa vier Monaten hat einer der Cousins Dottor Asnaldi
angerufen. Woher er seine Nummer hatte, weiß ich nicht, und ich weiß auch nicht
mehr, welcher der beiden es war. Jedenfalls hat er gefragt, ob der Dottore
Interesse habe, sich einige Dokumente näher anzusehen und ein Gutachten darüber
zu verfassen. Er hat sich mit den beiden Männern getroffen – den Cousins –, das
Angebot aber abgelehnt. Warum auch immer.« Dazu wieder ihr Lächeln mit
Schulterzucken.
    Caterina nickte, und Roseanna fuhr fort: »Dann hat er mich
angerufen, weil ich doch seine Stellvertreterin bin, und mir empfohlen, die
Papiere hier aufzubewahren, im Tresor. Deswegen sind sie jetzt da oben.«
    »Erstaunlich, dass sie nicht in der Marciana oder im Konservatorium
nachgefragt haben, oder bei einer Bank. Das heißt, falls sie die Papiere
wirklich für wertvoll halten«, meinte Caterina.
    Roseanna strich gedankenverloren über den Tisch, wie um [31]  zu
prüfen, ob er gewachst werde müsse. »Weil es billig ist«, sagte sie
schließlich. »Billiger.«
    »Als?«
    »Als die Marciana oder das Konservatorium oder eine Bank. Die beiden
haben dreihundert Euro Monatsmiete für den Tresor angeboten, im Winter, als wir
die Heizungsrechnung zahlen mussten.« Sie breitete resigniert die Hände aus.
»Dottor Asnaldi hat mir den Betrag am Telefon genannt, und ich habe
eingewilligt. Die anderen hätten viel mehr genommen.«
    Angesichts der Tatsache, dass hier kürzlich eingebrochen worden war,
wäre eine Bank dennoch besser gewesen; aber das behielt Caterina lieber für
sich.
    »Immerhin bin ich die stellvertretende Direktorin, ich musste den
Vertrag unterschreiben.«
    Sie schien so stolz auf den Titel, dass Caterina leise »complimenti« sagte. Roseanna errötete.
    Da Roseanna beredt schwieg, hakte Caterina nach: »Und wie ging es
weiter?«
    »Dottor Moretti hat ihnen geraten, eine Fachkraft hinzuzuziehen.«
    »Hat er geglaubt, das würde ihre Probleme lösen und ihren Streit
beenden?«
    »Oh«, sagte Roseanna lachend, »der Mensch, dem das gelingt, muss
noch geboren werden.«
    Die Stimmung hatte sich gelöst, so dass Caterina sich noch weiter
vorwagte. »Ich nehme an, die Truhen sind da oben schon sicher.«
    »Aber ja. Der Tresor ist nicht viel mehr als ein kleiner
Einbauschrank, hat aber eine porta blindata. Das ist
mehr, als die [32]  meisten Geschäfte haben.« Und dann setzte sie noch hinzu: »Es
gibt noch einen kleineren Schrank: Da befindet sich das Archiv.«
    »Das Archiv?«
    »Die Korrespondenz«, erklärte Roseanna. »Dottor Asnaldi hat das
immer das Archiv genannt.«
    »Wo genau?«
    Roseanna hob den Blick zur Decke, was Caterina an die
Heiligenbildchen der Therese von Lisieux erinnerte, wie sie hinten in den
leeren Kirchen ausliegen. Die Schlangenhaare auf Roseannas Kopf ergäben, glatt
nach unten gebürstet, den schwarzen Schleier. »Oben.«
    Caterina musste unwillkürlich an Ugolino im Hungerturm denken, an
Vercingetorix im Mamertinischen Kerker – den strich sie gleich wieder, weil
dies ein unterirdisches Gefängnis war –, an Casanovas Flucht aus den
Bleikammern. Erst das Büro des Direktors, jetzt das Archiv. Was mochte sonst
noch alles da oben verborgen sein?
    »Oben?«, wiederholte sie unnötigerweise.
    »Im selben Zimmer, aber das ist nur ein einfacher Wandschrank mit
einem normalen Schloss.«
    »Was wird in dem Archiv aufbewahrt?«
    »Partituren, die Dottor Dardago gesammelt hat.«
    »Gehören die zum Stiftungsvermögen?«, wollte Caterina wissen. Wenn
sie dazugehörten, war es merkwürdig, dass man sie nicht verkauft hatte, um mit
dem Erlös die Fördertätigkeit fortzusetzen oder zumindest die Mängel hier im
Haus zu beheben.
    »Nein. Laut Dottor Dardagos Testament sollen sie an die Marciana
gehen, falls die Stiftung eines Tages ihre Arbeit [33]  einstellt. Er wollte
offenbar verhindern, dass Stück für Stück verhökert wird. Die Stiftung hat
lediglich ein Nutzungsrecht. Das war von Anfang an so geregelt.« Sie fuhr mit
gedämpfter Stimme fort: »Viel ist es ohnedies nicht: eine gedruckte Partitur
einer Oper von Porpora und ein paar Notenblätter.« Sie kam Caterinas Frage
zuvor und fügte mit gepresster Stimme hinzu: »Nein, nur Abschriften der Noten,
und nicht einmal
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