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Himmlische Juwelen

Himmlische Juwelen

Titel: Himmlische Juwelen
Autoren: Donna Leon
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um
biographische Informationen. Oder sie wollen wissen, was wir von neuen CD s halten oder ob wir eine bestimmte Aufführung für
sehenswert halten. Manche haben uns auch Dokumente und Manuskripte geschickt,
aber nichts davon war von Bedeutung. Auch wenn man das nie im Voraus wissen
kann.« Sie warf einen Blick auf den Schrank und meinte: »Du wirst schon sehen,
wenn du das selber liest.«
    »Wenn es keine Umstände macht«, sagte Caterina, die zwar an den
Briefen interessiert war, aber mehr noch daran, Roseanna vorzuspiegeln, dass
sie ohne Hintergedanken hier heraufgekommen war und keineswegs in der Hoffnung,
etwas über die Identität des Komponisten zu erfahren, dessen Nachlass hinter
jener Panzertür lagern musste, der sie weiterhin den Rücken zukehrte.
    Roseanna drehte den Schlüssel des Wandschränkchens, griff geübt
unter eine der Flügeltüren und zog sie auf. Die andere schwang nach.
    Caterina kannte Roseanna erst so kurze Zeit, hatte aber schon genug
gesehen – die konservative Kleidung, die Akribie, mit der sie die Schlangen auf
ihrem Kopf umeinandergewunden hatte –, um zu wissen, dass Roseanna für das
Chaos im Innern des Schranks nicht verantwortlich sein konnte: zwei
Regalbretter im Abstand für große Aktenordner, beide mit Mappen vollgestopft.
Aus einigen hingen einzelne Blätter, andere schienen unberührt; wieder andere
sahen aus, als hätte sie ein Sturm erfasst.
    Roseanna stöhnte auf. »Maria Vergine«, rief sie [37]  erschrocken. Das würde eine Lügnerin nicht sagen, dachte Caterina.
Roseanna flüsterte, noch eine Spur entsetzter: »Oddio.«
    Als Roseanna eine Hand nach den Mappen ausstreckte, bremste sie
Caterina: »Nein, Roseanna. Nichts anfassen.«
    »Was?«
    »Nichts anfassen«, wiederholte sie.
    Die andere sah sie überrascht an und sagte dann mit großem
Nachdruck: »Ich will nicht noch einmal die Polizei hier haben.«
    Caterina trat näher an den Schrank heran. »Aber sieh doch. Jemand
hat sich an den Papieren zu schaffen gemacht.« Wie im Film fragte sie: »Wer hat
sonst noch einen Schlüssel?«
    »Nur ich. Sonst niemand.«
    »Dottor Moretti hat mir einen für die Haustür gegeben«, erklärte
Caterina und fragte sich, wie schwierig es wohl wäre, in dieses Büro hier
einzudringen. »Außer dir hat wirklich niemand einen Schlüssel?«, fragte sie,
und kaum sah sie Roseannas Miene, wusste sie, dass sie zu weit gegangen war. Um
das auszubügeln, fuhr sie im Plauderton fort: »Das muss ein schlimmer Schock
für dich sein. Dass hier jemand reinkommt und so etwas tut.« Ihr Versuch,
Roseanna damit als mögliche Verdächtige auszuschließen, war so plump wie
durchschaubar.
    Caterina stellte sich vor, wie Polizisten in so einem Fall vorgehen
würden: Hauptverdächtige wären erst einmal alle, die einen Hausschlüssel
hatten. Sowie sie jedoch erführen, dass es bei dem Einbruch – und es stand ja
nicht einmal fest, was gestohlen wurde – um Briefe über Musik und Komponisten
früherer Jahrhunderte gegangen war, [38]  würden sie auf dem Absatz kehrtmachen.
Falls sie überhaupt gekommen wären.
    Beschwichtigend erklärte Caterina: »Du hast natürlich recht. Das ist
kein Fall für die Polizei.« Damit wurden sie zu Verbündeten.
    »Was fehlt denn nun?« Caterina trat vom Schrank zurück: Roseanna
sollte sehen, dass sie ihr vertraute. Cinzia war ein paar Jahre mit einem
Anthropologen zusammen gewesen und hatte ihren Schwestern erzählt, was sie von
ihm über Dominanzverhalten bei Menschenaffen erfahren hatte. Caterina trat noch
ein Stück zurück, um die Untersuchung des Schranks ganz allein Roseanna zu
überlassen.
    Die stellvertretende Direktorin beugte sich vor, schichtete die
Ordner auf beiden Brettern zu Stapeln und stupfte einzelne heraushängende
Blätter in die Mappen zurück. Dann legte sie den ersten Stapel auf den
Schreibtisch und daneben den aus dem Fach darunter. Sie nahm sich den ersten
Stapel vor, schlug jede einzelne Mappe auf und strich die Blätter glatt, bis
alles schön ordentlich war, und wiederholte das Ganze mit dem zweiten Stapel.
Darauf griff sie nach der obersten Mappe des ersten Stapels und ging die Briefe
durch; Caterina wollte sich ihre Ungeduld nicht anmerken lassen und sah sich
das zweite Porträt genauer daraufhin an, ob es signiert war. Roseanna prüfte
unterdessen methodisch und überaus gründlich Mappe um Mappe.
    Caterina blieben nur die Männer mit den Perücken.
    »Caterina?«
    »Sì?«
    »Ich verstehe das nicht«, sagte Roseanna zögernd. Konnte
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