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Himmlische Juwelen

Himmlische Juwelen

Titel: Himmlische Juwelen
Autoren: Donna Leon
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zeitgenössische.« Die nächste Bemerkung kam erst nach einigem
Zögern: »Ich fürchte, Dottor Dardago war ein Amateur.«
    Für Caterina hörte sich das nicht gerade so an, als müsse diese
Sammlung hinter Schloss und Riegel aufbewahrt werden, aber da sie selbst nichts
mit dem Archiv zu tun haben würde, machte sie das nicht zum Thema.
    »Wie hat man Zugang zum Archiv?«, fragte Caterina stattdessen.
    Roseanna sah sie verwirrt an. »Über die Treppe.« Sie schien noch
etwas sagen zu wollen, ließ es aber.
    »Kann man sich das mal ansehen?«
    Roseanna versuchte sich herauszuwinden. »Ich weiß nicht, ob du jetzt
schon da raufdarfst.«
    Wie die meisten Leute konnte auch Caterina es schlecht vertragen,
wenn ihr ein Wunsch abgeschlagen wurde. Wie die meisten Frauen, die es in einem
von Männern dominierten Beruf durch Können, Zähigkeit und große Begabung, die
niemals anerkannt wurde und auf die man sich selten berufen konnte, zu etwas
gebracht haben, hatte sie gelernt, ihre Wut angesichts unbegründeter Verbote zu
zügeln, gegen das Herzrasen aber war sie machtlos.
    Als sie sich wieder gefangen hatte, fragte Caterina [34]  möglichst
ruhig: »Früher oder später werde ich ohnedies hinaufmüssen, oder? Wenn ich dort
arbeiten soll.« Beiläufig fügte sie hinzu: »Du hast doch vorhin die Briefe
erwähnt. Ob ich mir die wohl mal ansehen kann?« Da Roseanna nicht direkt mit
Nein antwortete, fuhr sie fort: »Vielleicht entpuppen sich manche Leute, die
Anfragen an die Stiftung gerichtet haben – zu Fachfragen –, als die Art von
Amateuren, von denen jeder Wissenschaftler träumt.« Die einzigen Träume, die
Wissenschaftler von Amateuren hatten, waren Alpträume, aber das musste sie
Roseanna nicht auf die Nase binden.
    »Wir wissen nie, was sich als nützlich herausstellt«, fügte sie mit
einem verschwörerischen Lächeln hinzu, Roseanna in das »wir« einschließend.
»Von wem stammt die Vorschrift überhaupt?«
    Roseanna antwortete nach kurzem Nachdenken: »Eigentlich ist das
keine wirkliche Vorschrift. Es ist nur so, dass die Cousins…«
    »Geheimniskrämer sind?«
    Diesmal war Roseannas Lächeln größer als ihr Schulterzucken.
    Caterina, die immer noch so tat, als interessiere sie sich einzig
für die Belange der Stiftung, meinte lächelnd: »Ich möchte nur Zeit sparen und
herausfinden, ob es mir womöglich bei meinen Recherchen behilflich sein
könnte.« Und dann, wie zu einer Busenfreundin: »Ich kann nichts garantieren,
aber diese Leute könnten hilfreich sein: Oft wissen sie viel mehr als die
Experten, besonders auf einem so kleinen Gebiet.« Ziemlich schwach, dachte sie,
aber vielleicht merkt Roseanna es nicht.
    [35]  Roseannas Zweifel waren offenbar zerstreut, denn sie stand auf
und meinte: »Ich denke, es geht in Ordnung.« Mit solidarischem Lächeln fügte
sie hinzu: »Immerhin bin ich die stellvertretende Direktorin, nicht wahr?«
    Caterina folgte ihr in den hinteren Teil des Gebäudes. Vor der Tür
am Ende des Korridors blieb Roseanna stehen, zog einen Schlüsselbund aus der
Tasche und schloss auf. Die beiden stiegen eine Treppe hoch. Oben führte eine
weitere Tür in ein kleines Vorzimmer, von dem zwei einander gegenüberliegende
Türen abgingen.
    Roseanna öffnete die Tür links und ging in einen Raum voran, der
diesmal wirklich wie ein Büro aussah und vergitterte Fenster hatte. Ein großer
Schreibtisch und linker Hand ein dunkler Wandschrank aus Holz. Zu beiden Seiten
des Schranks hingen Radierungen, die Männer mit Perücken zeigten. Sogar aus
dieser Entfernung erkannte Caterina den rundgesichtigen Jommelli. Der andere
war vielleicht Hasse. Den bewunderte sie: Ein Mann, der es als Ehemann mit
Faustina Bordoni aushielt, musste ein Held sein.
    Roseanna wies auf den Wandschrank. »Dort wird die gesamte
Korrespondenz aufbewahrt.« Caterina bemerkte, dass der Schlüssel im Schloss
steckte. Unauffällig hielt sie nach dem Tresor Ausschau und entdeckte eine
Panzertür, etwa einen Meter hoch; sie war in die Wand rechts neben dem
Schreibtisch eingelassen und wurde von Tisch und Stuhl halb verdeckt.
    Die Tresortür ignorierend, fragte sie: »Bis wann datiert die
Korrespondenz zurück, Roseanna?«
    »Bis ganz an den Anfang.«
    »Was schreiben die Leute denn so?«, fragte Caterina. Ihr Interesse
war erwacht.
      [36]  »Oh, alles Mögliche. Du
würdest staunen. Manche schicken uns Kopien von Texten oder Noten und bitten
uns, diese zu identifizieren, die Handschrift zu bestätigen; manche bitten
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